FLECHSIG |
[030122-190408]
Wettbewerbsrecht: Ein
Anwendungsfall zur rechtswidrigen Titelführung - „Prof. Dr. Dr.h.c.“
– Teil 2 zum Teil
1 und Teil 3
Der Rechtsanwalt ist
der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen
Rechtsangelegenheiten. - The lawyer is the appointed
independent advisor and representative in all legal matters. (§ 3 (1) Federal Lawyers’ Act -
Bundesrechtsanwaltsordnung).
I.
Die Historie des Falls „Prof.Dr.Dr.h.c.“
- Fortsetzung
Zur Historie des
Falles und weiteren Einzelheiten darf an dieser Stelle auf den Teil 1
verwiesen werden. Nachstehend wird das Hauptsacheverfahren dargestellt. Streitinhalt
ist: Lauterkeit und Integrität im Wettbewerb anwaltlicher Tätigkeit. Deshalb
bleiben auch strafrechtliche Betrachtungen (§ 132a StGB) oder
hochschulrechtliche Erörterungen (§ 37 LHG Baden-Württemberg) nachstehend außer
Betracht.
1.
Urteil des LG
Stuttgart im Hauptsacheprozess - welches der Beklagte
erzwang.
2.
Streitwertbeschluss
des OLG Stuttgart in Korrektur der verfehlten Streitwertannahme des LG
Stuttgart
3.
Urteil des OLG
Stuttgart vom 22.Oktober 2015 – 2 U 35/15
II.
Erstinstanzliches
Urteil des LG Stuttgart 35 O 55/14
Das LG Stuttgart verurteilte den Kläger
antragsgemäß:
„Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung
eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu €
250.000,00, ersatzweise
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft
bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu
unterlassen, im geschäftlichen
Verkehr zum Zwecke des anwaltlichen Wettbewerbs,
insbesondere zur Bearbeitung anwaltlicher Mandate in Baden-Württemberg, in
Verbindung mit seinem Namen die Abkürzungen „Prof." und/oder „Dr.
h.c." ohne Angabe der verleihenden Hochschule bei jedem dieser Titel zu
verwenden oder verwenden zu lassen.“
Der Einfachheit halber wird an dieser Stelle auf die
vollständige Veröffentlichung in Juris und u.a. in AnwBlatt
2015, 443 sowie online
verwiesen.
Das grundsätzlich bezüglich der ausgesprochenen Unterlassung
überzeugende landgerichtliche Urteil konnte in Bezug auf den unverständlich
niedrigen Streitwert (1.000,- €) fraglos keinen Bestand haben. Hier kann die
Begründung zur Streitwertheraufsetzung des OLG Stuttgart
– 2 W 22/15 - auf 10.000,- € nachgelesen werden; erheblich soll aus den nachfolgenden,
selbsterklärenden Gründen die folgende Passage wiedergegeben werden:
„… 2.
Die
Streitwertbeschwerde ist auch begründet.
a)
Ein
Fall des § 51 Abs. 3 S. 2 ZPO Liegt nicht vor. Zwar lässt sich der Wert des
Verfahrens nicht berechnen, sondern nur schätzen. Dies führt aber nicht
automatisch zu einer Wertfestsetzung auf den Auffangwert von 1.000,- E.
b)
Die Werbung mit akademischen Graden oder
Titeln ist für einen Rechtsanwalt von großer wirtschaftlicher Bedeutung, da der
Verkehr ihnen einen hohen Stellenwert bei der Vergabe eines Mandates beimisst,
neben beispielsweise Fachanwaltsbezeichnungen, Bekanntheit oder Empfehlungen
Von daher ist in einer wettbewerbsrechtlichen Streitigkeit, in der sich der
Wert der Sache ausgehend vom Interesse des Klägers bemisst, künftige
gleichartige Verstöße zu verhindern, die Annahme eines Wert von 1.000,- €
ungeachtet der sonstigen wertbestimmenden Faktoren, insbesondere des Angriffsfaktors,
der aus der gerügten Verstoßhandlung ersichtlich
wird, schon bei der unlauteren Verwendung nur eines akademischen Grades oder
Titels unangemessen niedrig.
c)
Der Senat sieht vorliegend den vom Kläger mit Indizwirkung
angegebenen Wert von 10.000,- € für den ersten Rechtszug als nicht überhöht an.“
III.
Berufungsurteil
des OLG Stuttgart 2 U 35/15 vom 22.10.2015
Das Urteil des 2. Zivilsenats des OLG Stuttgart mit
Spezialzuständigkeit für Wettbewerbsrecht erkannte dieses Urteil nach
Berufungseinlegung durch den Beklagten als zutreffend an und führte u.a. zur
Frage des Wettbewerbsverhältnisses und des Verbots der unerlaubten Titelführung
wie folgt aus (die in den nachstehenden Auszügen vorgenommenen Hervorhebungen
und roten Zwischenüberschriften sind von mir):
Zur Frage des
Wettbewerbsverhältnisses:
„A.
Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist insbesondere
klagebefugt, und seiner Klage steht nicht der Rechtsmissbrauchseinwand aus § 8
Abs. 4 UWG entgegen.
1. Der Kläger ist klagebefugt.
a)
Dahinstehen kann,
ob der Kläger zeitweise Mitglied in einer Partnerschaftsgesellschaft mit
beschränkter Haftung war. Denn "Mitbewerber" im Sinne des § 2 Abs. 1
Nr. 3 UWG ist jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als
Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten
Wettbewerbsverhältnis steht. "Unternehmer" ist gern. § 2 Abs. 1 Nr. 6
UWG jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen
ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt. Mitbewerberschaft liegt vor, wenn sich die Parteien auf
demselben sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt betätigen und
versuchen, Waren oder Dienstleistungen innerhalb derselben Verkehrskreise
abzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2007 - 1 ZR 122/04, GRUR 2007, 1079 -
Bundesdruckerei; BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 - 1 ZR 146/1 2, NJW 2013,
2671 - auch zugelassen am OLG Frankfurt). Im Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen
Individualschutzes sind an das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses
allerdings keine hohen Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil vom 24. Juni 2004
- 1 ZR 26/02, NJW 2004, 3032 - Werbeblocker). Es genügt, wenn sich die Parteien
im Absatz ihrer Leistungen gegenseitig stören können. Unternehmer im Sinne des
§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG und damit aktivlegitimiert gemäß § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
UWG ist bei Rechtsanwaltssozietäten nicht nur die Gesellschaft, sondern auch
jeder in der Sozietät tätige zugelassene Rechtsanwalt (OLG Stuttgart, Urteil
vom 18. März 2014 - 12 U 193/13, GRUR-RR 2014, 454, bei juris
Rz. 11, m.w.N. -
akademische Ehrengrade).
b)
Die Parteien
konkurrieren als unstreitig seit vielen Jahren zugelassene Rechtsanwälte auf
demselben räumlichen und sachlichen Markt um Mandate. Dahinstehen kann, ob sie
sich bereits als Rechtsvertreter gegenübergestanden haben, wie vom Kläger
substantiiert vorgetragen. Denn dies betrifft nur die Vergangenheit, wohingegen
der geltend gemachte Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist (st. Rspr.; vgl. Bornkamm, in:
Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., 2015, Rnrn. 1.7 und
1.8a zu § 8, m.w.N. zur Rspr.
des Bundesgerichtshofes). Dahinstehen kann ebenso, dass die Parteien
unterschiedliche Tätigkeitsschwerpunkte ausweisen. Denn dies schließt nicht
aus, dass sie auch Mandate außerhalb dieser Schwerpunkte annehmen; nach dem
Parteivortrag ist sogar positiv davon auszugehen, dass sie über ihre
Spezialgebiete hinaus anwaltlich tätig sind. Denn für die Annahme eines Konkurrenzverhältnisses
reicht es aus, dass beide ihre Kanzleisitze im selben Landgerichtsbezirk
(Stuttgart) haben, rund 25 Kilometer voneinander entfernt, so dass es schon von
daher durchaus möglich ist, dass das Mandat, das der eine erhält, dadurch dem anderen
nicht erteilt wird. Hinzu kommt, dass zumindest der Beklagte sich werbend im
Internet und über lokale Presseerzeugnisse im östlichen Umland von Stuttgart an
die Öffentlichkeit wendet und damit auch den Einzugsbereich der Kanzlei des
Klägers berührt und dass er selbst daraus - wenn auch nicht schlüssig -
abgeleitet hat, der Kläger müsse schon lange von der nunmehr angegriffenen
Titelverwendung gewusst haben.“
Zum Einwand des Beklagten
wegen Rechtsmissbrauch:
„2. Der Beklagte trägt keine Umstände vor, die in der
Gesamtschau den von Amts wegen zu berücksichtigenden, aber zur
Feststellungslast des Beklagten stehenden Rechtsmissbrauchseinwand nach § 8
Abs. 4 UWG begründen könnten.“
Begründetheit der Klage in
allen Streitgegenständen („Prof.“ und „Dr.h.c.“)
„B.
Die Klage ist auch in allen Streitgegenständen - sie richtet
sich gegen zwei durch eine und/oder-Verknüpfung verbundene, in einem
Klageantrag zusammengefasste, zivilprozessrechtlich aber voneinander zu
trennende Titelführungen - aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 3,
3 Abs. 1 UWG begründet. Ob darüber hinaus, wovon der Senat allerdings ausgeht,
wie schon das OLG Stuttgart in dem Verfahren 12 U 193/13, auch ein Verstoß
gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 37 Abs. 2 LHG
vorliegt oder ob der vom Landgericht angenommene Verstoß gegen rechtliche
Vorschriften gegeben ist, bedarf daher keiner eingehenderen Erörterung.“
…
5.
Die vom Landgericht festgestellten Formen der Führung eines Professorentitels
und eines Ehrendoktortitels durch den Beklagten sind jeweils nach §§ 3, 5 Abs.
1, S. 1 und S. 2 Nr. 3 UWG unlautere geschäftliche Handlungen im Sinne des § 2
Abs. 1 Nr. 1 UWG, gleichviel ob nur einer von beiden oder beide zusammen geführt
werden.
a)
Die angegriffene Titelführung ist in beiden
Teilen irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 3 UWG.
aa) Nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG ist eine geschäftliche
Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung
geeignete Angaben über die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmens
wie Identität, Vermögen einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums, den
Umfang von Verpflichtungen, Befähigung, Status, Zulassung, Mitgliedschaften
oder Beziehungen, Auszeichnungen oder Ehrungen, Beweggründe für die
geschäftliche Handlung oder die Art des Vertriebs.
Eine Werbung ist eine irreführende geschäftliche Handlung,
wenn sie bei einem erheblichen Teil der Angesprochenen (vgl. BGH, Urteil vom
08. März 2012—IZR 202/10, MDR 2012, 1238, bei juris Rz. 23 - Marktführer Sport) eine solche falsche Vorstellung
erweckt.
bb) Das unberechtigte Verwenden akademischer Grade oder Titel
durch einen Rechtsanwalt stellt nach der Rechtsprechung eine solche Irreführung
dar, weil sie geeignet ist, in den betreffenden Verkehrskreisen einen
unzutreffenden Eindruck über die wissenschaftliche Qualifikation des
Rechtsanwalts zu erwecken (OLG Stuttgart, Urteil vom 18. März 2014 -12 U
193/13, GRUR-RR 2014, 454, bei juris Rz. 21, u.H. auf OLG
Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 5 U 91/10; OLG Köln, Urteil vom
08. Oktober 2010 - 6 U 109/10, MDR 2011, 267; OLG Bamberg, Urteil vom 25. Mai
2011 - 3 U 7/111 NJW-Spezial 2011, 542; u.a.).
cc) Daneben kann aber auch eine verwaltungsrechtlich nicht zu
beanstandende Titelführung im geschäftlichen Verkehr zu einer Täuschung führen,
welche sie unlauter macht. Dies ist hier der Fall.
(1)
Während § 4 Nr. 11
UWG darauf abzielt, erhebliche Marktbeeinträchtigungen durch Verstöße gegen
konkrete gesetzliche Vorgaben zu wehren, die in Marktverhaltensregeln ihren
Niederschlag gefunden haben, zielen §§ 5, 5a UWG darauf ab, die
Entscheidungsfreiheit des angesprochenen Marktteilnehmers zu schützen. Die
Frage, ob der Angesprochene einem Irrtum unterliegt, ist für die Beurteilung
einer geschäftlichen Handlung als im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG unlauter
regelmäßig unerheblich. Liegt ein Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung
vor, so führt dieser grundsätzlich und unabhängig davon zur Unlauterkeit, ob
ihn der Angesprochene erkennt. Hingegen kann ein an sich rechtmäßiges Verhalten
aufgrund der konkreten Umstände zu einer Irreführung des Verkehrs führen.
(2)
Die nach außen
wirkenden Selbstbezeichnungen des Beklagten, welche das Landgericht
wiedergegeben hat, richteten sich an das allgemeine Publikum, neben
Unternehmern auch an alle Verbraucher. Darauf, ob der Beklagte in seiner
anwaltlichen Praxis überwiegend Türken vertritt, kommt es nicht an. Denn er
spricht als in Deutschland zugelassener Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in
Deutschland nicht nur türkische Verbraucher an. Da sich die Angaben an das
allgemeine Publikum richten, ist für die Beurteilung entscheidend, wie die
beanstandete Werbebehauptung von diesem Verkehrskreis aufgefasst wird (vgl.
statt vieler BGH, Urteile vom 03. Mai 2001 - 1 ZR 318/98, GRUR 2002, 182, 184 =
WRP 2002, 74 – Das Beste jeden Morgen; und vom 08. März 2012 - 1 ZR 202/10, MDR
2012, 1238, bei juris Rz.
22 - Marktführer Sport), was der Senat vorliegend aus eigener Kenntnis
beurteilen kann, da seine Mitglieder zu dem angesprochenen Personenkreis
gehören (st. Rspr.; vgl.
nur OLG Stuttgart, Urteile vom 18. Juli 2013 - 2 U 175112; und vom 13. November
2014 -2 U 30/14). Hingegen bleibt ohne Einfluss, ob die vom Kläger
beanstandeten Abkürzungen in der Türkei gemeinhin oder üblicherweise zur
Bezeichnung der dem Kläger von der Yeditepe
Universität verliehenen Bezeichnungen verwendet werden.
(3)
Demjenigen, welcher
die Bezeichnungen „Prof." oder „Professor" und „Dr. h.c." oder
einen dieser Titel führt, wird vom durchschnittlich informierten und
verständigen Verbraucher, der der Bezeichnung mit situationsadäquater
Aufmerksamkeit begegnet, regelmäßig ein besonderes Vertrauen in Bezug auf seine
intellektuellen Fähigkeiten, seinen Ruf, seine Seriosität und seine Zuverlässigkeit
entgegengebracht (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18. März 2014 - 12 U 193/14,
GRUR-RR 2014, 454, bei juris Rz.
18, u.H. auf OLG Bamberg, Urteil vom 25. Mai 2011 -3
U 7/11, NJW-Spezial 2011, 542).
Darüber hinaus nimmt der Verbraucher, dem
die Bezeichnung „Prof." als ihm bekannte Abkürzung für „Professor" in
Verbindung mit einem Namen im Rahmen berufsbezogener Werbung eines
Rechtsanwaltes entgegentritt, an, dass der Titel bzw. der akademische Grad dem
Träger aufgrund besonderer wissenschaftlicher Leistungen verliehen worden ist.
Ist der Bezeichnung nicht räumlich unmittelbar ein Zusatz über die verleihende
Hochschule beigefügt, so nimmt der Verbraucher daneben an, der Grad bzw. der
Titel stamme von einer deutschen Hochschule, die berechtigt sei, diesen Titel
zu vergeben. Dies gilt auch für die Bezeichnung „Dr. h.c.". Dass es sich
um ausländische akademische Grade handele, kommt dem Verbraucher hingegen nicht
in den Sinn, da er die Bezeichnungen aus dem deutschen Wissenschaftsleben kennt
und keinen Anhalt für die Annahme hat, dass - was einen Ausnahmefall darstellt
- der Grad im Ausland verliehen wurde. Hinzu kommt, dass der Verbraucher aus
dem Umstand, dass ihm gelegentlich akademische Grade mit einem
Verleihungszusatz (Ortszusatz) entgegentreten, im Umkehrschluss annimmt,
mangels eines solchen Zusatzes liege kein im Ausland verliehener Titel oder
Grad vor.
Aus der Bezeichnung „Prof." oder
„Professor" nimmt der Verbraucher an, es handele sich um einen
hauptamtlichen bzw. „ordentlichen' Professor. Aus der Bezeichnung als „Dr.
h.c." entnimmt der Verbraucher, der Träger dieses Titels habe zwar kein
reguläres (ordentliches) Promotionsverfahren erfolgreich durchlaufen, der Titel
sei ihm aber von einer deutschen Hochschule aufgrund hervorragender Leistungen
in der Berufspraxis verliehen worden, durch welche er eine ähnliche
wissenschaftliche Qualifikation nachgewiesen habe wie derjenige, der ein
ordentliches Promotionsverfahren erfolgreich durchlaufen habe.
(4)
Darin irrt der
Verbraucher beim Beklagten doppelt, wobei jede der nachbezeichneten
Fehlvorstellungen für sich zur Unlauterkeit der angegriffenen Verwendung führt.
Zum einen irrt der Verbraucher, da der
Professorentitel ebenso wie der „Dr. h.c.' von einer türkischen
Stiftungsuniversität verliehen wurde, zum anderen, da der Beklagte ausweislich
seines eigenen Vortrages keine ordentlichen akademischen Grade bzw. Titel
verliehen bekommen hat, sondern eine Honorarprofessur (Ehrenprofessur) und
einen Ehrendoktorgrad, also Ehrengrade.
Dies bestreitet der Beklagte zwar im
Ergebnis. Er bleibt damit aber ohne Erfolg.
(4.1.) Beide
streitgegenständlichen Bezeichnungen sind Ehrengrade. Davon hat der Senat
schon nach den Feststellungen des Landgerichts auszugehen, gegen die der
Beklagte keine ordnungsgemäße Verfahrensrüge erhebt (§§ 529 ff. ZPO). Soweit er
dagegen Zeugenbeweis antritt, ist dieses Beweismittel nach §§ 529 Abs. 1, 531
Abs. 2 ZPO verspätet und damit unbeachtlich. Das dazu vorgelegte Schreiben vom
20. März 2015 vermag die landgerichtlichen Feststellungen nicht in Zweifel zu ziehen: es bestärkt sie vielmehr noch. Die
Entscheidung des Landgerichts steht auch im Einklang mit dem zwar nicht mit
zivilprozessrechtlicher Bindung für das vorliegende Verfahren, so doch in der
Sache zutreffenden Urteil des 12. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Stuttgart
vom 18. März 2014 (12 U 193/12).
Diese Einordnung entspricht zudem dem vom
Beklagten nunmehr vorgelegten Schreiben vom 20. März 2015 wie auch den in ihrer
deutschen Bedeutung zwischen den Parteien unstreitigen englischen
Originalbezeichnungen durch die Yeditepe Universität.
In dieselbe Richtung weist im Übrigen deutlich der Text jenes Schreibens vom
20. März 2015, in dem die Unterscheidung zwischen ordentlichen und
Honorarprofessuren und der Umstand hervortritt, dass der Verleihung des Ehrendoktorgrades kein ordentliches
Promotionsverfahren vorangegangen ist.
Die - in ihrer Tatsachengrundlage
bestrittene - Argumentation des Beklagten, da er unverändert lehre, sei sein
Titel nicht bloße Ehrung, sondern Tätigkeitsbezeichnung, geht daran vorbei,
dass für die Einordnung nicht der
derzeitige Stand einer Lehrtätigkeit ausschlaggebend ist, sondern die
Qualifikation auf der Grundlage des Verleihungsaktes.
(4.2.) Die dem Beklagten verliehenen Bezeichnungen lassen nicht auf die
Qualifikation schließen, welche bei einer Verleihung durch eine deutsche
Hochschule zu erwarten wäre. Auch dies belegt der eigene Vortrag des
Beklagten.
(4.2.1) In dem Schreiben vom 20. März 2015
heißt es:
„Der
Titel Honorarprofessor wurde aufgrund Ihres wesentlichen Beitrags zum
Einwanderungsrecht / Ausländerrecht, der auch durch Ihre zahlreichen
einflussreichen Publikationen zu diesem Thema dokumentiert wird, verliehen. Der
Umfang und die Qualität Ihrer Arbeit beeindruckten nicht nur das Gremium der
Juraprofessoren, die Ihre wissenschaftlichen Publikationen prüften, sondern
auch den Senat. Wir kamen einerseits zu dem Schluss, dass „die ausführlichen
Rechtsanalysen in den meisten Ihrer Publikationen einen hohen Standard
erfüllten", und nahmen andererseits auch Ihren konsequenten Einsatz auf
dem Fachgebiet Migrationsrecht zur Kenntnis. Die wissenschaftlichen Kriterien,
die die Voraussetzung für die Verleihung des vollen Titels Professor sind,
wurden erfüllt. Wir entschlossen uns jedoch, Ihnen den vollen Titel
Honorarprofessor zu verleihen, da Sie diesbezüglich weder einen Antrag gestellt
noch ein Ersuchen an uns gerichtet hatten.'
Und später:
„Der
Titel Professor wurde Ihnen verliehen, da Sie neben Ihrer Funktion als Referent
auf den zahlreichen von uns veranstalteten Seminaren und Konferenzen als
Lehrbeauftragter unserer Universität tätig sind und Jahr für Jahr im
Sommersemester lehren. Ich möchte an dieser Stelle zwischen der Verleihung des
Titels Honorarprofessor an Sie und der Verleihung des Titels Ehrendoktor an
eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, einen berühmten Künstler oder
Staatsmann unterscheiden. Der Unterschied zwischen der Titelverleihung
ehrenhalber und der Titelverleihung an einen Lehrbeauftragten ist hinlänglich
bekannt."
Daraus ergibt sich eindeutig, dass der
Beklagte kein dem deutschen akademischen
Usus im Bereich der Rechtswissenschaften entsprechendes, dem Erwerb eines
ordentlichen Professorentitels vorangehendes Verfahren durchlaufen hat.
Darüber hinaus wird in dem Schreiben
eindeutig unterschieden zwischen dem ordentlichen Professorentitel und
demjenigen eines Honorarprofessors.
(4.2.2) Der Titel eines „Dr. h.c." ist
dem Beklagten nicht für eine wissenschaftliche Leistung verliehen worden,
sondern aus wissenschaftsfremden Gründen.
Der Beklagte trägt selbst als Gründe vor:
„Der
Titel Ehrendoktor wurde Ihnen für Ihre praktische anwaltliche Tätigkeit in
Präzedenzfällen, die vielen türkischen Staatsangehörigen zu einer besseren
rechtlichen Stellung verhalfen, verliehen. Dadurch haben Sie einen
herausragenden Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen zahlreicher
einfacher Menschen geleistet. Der Fall Soysal war ein beeindruckender Höhepunkt
einer Reihe von Urteilen, in denen Sie als Anwalt tätig waren. Wir anerkannten
auch, dass Ihre eigentliche Doktorarbeit mit Schwerpunkt auf den Rechten
türkischer Arbeitnehmer rund zwei Jahrzehnte nach der Verteidigung in 2.
Auflage erschien, was sehr selten der Fall ist. Daher ist es unbestreitbar,
dass Sie einen herausragenden Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen so
vieler Menschen, die bei der Verteidigung ihrer Rechte Schwierigkeiten hatten,
geleistet haben.“
Letztlich bedeutet dies, dem Beklagten
wurde der Titel „Dr. h.c." für seine Verdienste
um die Interessen in Deutschland lebender Türken verliehen. Der einzige
Ansatz zu wissenschaftlicher Tätigkeit ist der Hinweis darauf, dass seine
Dissertation, für die er aber bereits einen Doktorgrad trägt, in zweiter
Auflage erschienen ist. Ob aufgrund besonderer Nachfrage oder aus anderen
Gründen, bleibt dabei offen und kann auch für den Rechtsstreit offen bleiben.
b)
Diese Fehlvorstellungen sind
markterheblich.
aa) Anders als bei einer Verwendung im rein wissenschaftlichen
Bereich, insbesondere bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen oder Vorträgen,
bei denen der Inhalt der wissenschaftlichen Äußerung die Wertschätzung
bestimmt, kommt im Bereich der gewerblichen Rechtsberatung der Erwartung des
angesprochenen Verkehrs die entscheidende Bedeutung zu.
bb) Schon im Grundsatz begegnet der Verbraucher akademischen
Graden ausländischer Hochschulen, die ihm nicht aufgrund ihrer Reputation
bekannt sind, reservierter als akademischen Graden deutscher Hochschulen. Dies
bedarf aber keiner eingehenderen Erörterung. Denn die mit akademischen Graden
und Titeln deutscher Hochschulen verbundene Erwartung
besonderer Qualifikation gerade in Bezug auf die deutsche
Rechtsordnung, und auf sie legt der potentielle Mandant, der in Deutschland
einen Rechtsanwalt sucht regelmäßig wert, würde er bei dem gleichermaßen
bezeichneten Rechtsanwalt nicht vermuten, von dem er wüsste dass jener die
Bezeichnungen aufgrund Verleihung durch eine ausländische Hochschule führt.Die Verbraucher würden außerdem, worauf es aber gar
nicht mehr entscheidend ankommt, kennten sie die oben zitierten Gründe für die
Verleihung der beiden Titel an den Beklagten, diesen Bezeichnungen nicht
annähernd dieselbe Wertschätzung und ihm nicht annähernd dieselbe Qualifikationserwartung
entgegenbringen, die sie aufgrund ihres Verständnisses von den durch den
Beklagten verwendeten Bezeichnungen entwickeln. Dies liegt für den Senat auf
der Hand.
Der Senat verkennt nicht, dass in Ausnahmefällen etwas
anderes gelten kann, namentlich dann, wenn der Verbraucher einen Spezialisten
für ein bestimmtes ausländisches Recht sucht. Dabei
handelt es sich aber um Sonderfälle, denen für sich schon deshalb
keine Entscheidungserheblichkeit zukommt, weil sie nur Randbereiche des
maßgebenden Gesamtmarktes betreffen.
6.Die
Wiederholungsgefahr, welche aufgrund des unlauteren Verhaltens des Beklagten zu
vermuten ist, ist nicht entfallen.
a) Die durch einen bereits begangenen Wettbewerbsverstoß
begründete tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr
kann regelmäßig nur durch die Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung ausgeräumt werden. Sie entfällt insbesondere nicht schon
mit der Aufgabe der Tätigkeit, in deren Rahmen die Verletzungshandlung erfolgt
ist, solange nicht auch jede Wahrscheinlichkeit für eine Wiederaufnahme
ähnlicher Tätigkeiten durch den Verletzer beseitigt
ist (BGH, Urteil vom 30. April 2014 - 1 ZR 170/10, MDR 2014, 1278, bei juris Rz. 31; BGH, GRUR 2001,
453, 455 - TCM-Zentrum, m.w.N.). Erst recht reicht
eine verbale Absichtsbekundung, das beanstandete Verhalten künftig zu
unterlassen, nicht aus. Die Weigerung,
diese Erklärung durch eine Sanktionsmöglichkeit für den Unterlassungsgläubiger
abzusichern, belegt die Wiederholungsgefahr sogar.
b)Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hat der Beklagte
nicht abgegeben. Selbst wenn er sich nunmehr im geschäftlichen Verkehr
verwaltungsrechtskonform und nicht mehr irreführend bezeichnete, schlösse dies
eine Rückkehr zur vormaligen Praxis nicht aus und wäre mangels einer
tragfähigen Absicherung nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.
III.Die Voraussetzungen einer Vorlage der Sache an
den EuGH bestehen nicht. Dies folgt zwar nicht aus den vom Landgericht
ausgeführten Gründen. Dennoch erweist sich seine Rechtsauffassung als im
Ergebnis richtig, wobei es nicht darauf ankommt, dass das Landgericht, welches
nicht letztinstanzliches nationales Gericht war, von daher ohnehin nicht zu
einer Vorlage an den EuGH verpflichtet gewesen sein konnte. Auch der Senat als
letztinstanzliches Gericht ist, was von Amts wegen zu beachten wäre, nicht aus
Art. 267 Abs. 3 AEUV zu einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gehalten.
1.Das nationale Gericht hat bei der Anwendung des nationalen
Rechts den Vorrang des Unionsrechts zu beachten. Es muss daher prüfen, ob einem
auf das nationale Wettbewerbsrecht gestützten Begehren Unionsrecht
entgegensteht. Hält ein nicht letztinstanzliches Gericht die Rechtsfrage für
entscheidungserheblich, so kann es sie dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen
(Art. 267 Abs. 2 AEUV); das letztinstanzlich entscheidende Gericht ist, sofern
nicht ein Eilverfahren betrieben wird (EuGH SIg 1977,
957 = NJW 1977, 1585; KG, GRUR 1986,471; Köhler, in: Kähler/Bornkamm, UWG, 33.
Auf., Einl. Rn. 3.8), zur
Vorlage verpflichtet (Art. 267 Abs. 3 AEUV).
Eine Vorlage erfolgt aber dann nicht, wenn, was das nationale
Gericht in eigener Verantwortung zu prüfen hat (EuGH SIg
2005, 1-8151 Rn 37 - Intermodal Transports), die
europäische Rechtslage durch den EuGH geklärt ist oder so offenkundig ist, dass
ist für einen vernünftigen Zweifel kein Raum ist (EuGH, SIg
1982, 3415, Rn. 14 ff. = NJW 1983, 1257 - C. 1. L. F.
1. T.; BVerfG, NJW 2011, 1131, Tz. 6; BGH, WRP 2014, 1054, Tz. 17—
Geld-zurück-Garantie III; zum Ganzen Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33.
Aufl., Einl. Rn. 3.1 ff., m.w.N.)
2. Der Beklagte legt schon nicht dar, dass eine ungeklärte
Rechtsfrage aus dem Recht der Europäischen Union für die Entscheidung im
vorliegenden Rechtsstreit erheblich wäre.
Kostenentscheidung:
IV.Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO,
die Streitwertfestsetzung auf §§ 51, 39 Abs. 1 GKG i.V.m.
3 ZPO. Der Senat hält aufgrund des
vorgerückten Lebensalters des Beklagten einen Wert von insgesamt 10.000,- €
für angemessen.
Die Revision zuzulassen, besteht kein Grund im Sinne des §
543 Abs. 2 ZPO.“
IV.
Einschätzung
Der gebildete Leser
ist selbst in der Lage, dieses Urteil angemessen zu bewerten. Die vorliegende Entscheidung
ist mehr als eine Genugtuung für in Deutschland zur Ausbildung gelangte
Juristen, die sich der Wissenschaft und Integrität des anwaltlichen Berufs
verschrieben haben. Nachstehend gebe ich gerne einige mich erreichende Stimmen
wieder, die anonymisiert sind:
„Es ist zu hoffen, dass dies die
Titeltouristik von Anwälten und sonstigen Persönlichkeiten, die sich zur
Abrundung ihres Erscheinungsbildes mit ausländischen Titel
schmücken, dämpft. Angesichts dessen und des Plagiatswesens ist heute ja schon
jeder redliche Titelinhaber zur Erklärung genötigt.“
„Alle rechtschaffenen Kollegen sind Ihnen
ob Ihres großen Engagements zu Dank verpflichtet.“
V.
Weiteres Verfahren
Die Revision wurde verständlicherweise nicht zugelassen.
Ehedem konnte nicht sofort gesagt werden, ob der Beklagte seiner Ankündigung
folgt und streitverfolgend weitere Maßnahmen zur Erreichung seines erklärten
Ziels ergreift, obwohl der Streitwert mit Rücksicht auf sein Alter bewusst
niedrig angesetzt wurde. Gegebenenfalls – so wurde versprochen – würde deshalb
an dieser Stelle auch über den Fall der Zwangsvollstreckung zu berichten sein.
Überraschend war, dass der Beklagte gegen die
Hauptsacheentscheidung des OLG Stuttgart Verfassungsbeschwerde beim
Verfassungsgerichtshof einlegte, worüber der Kläger nur zufällig nach
Veröffentlichung des diese Beschwerde zurückweisenden Beschlusses in der GRUR
2016, 1198 erfuhr. Hierüber und die Zurückweisung dieser Verfassungsbeschwerde
als „offensichtlich unbegründet“ wird
in Teil 3 berichtet.