FLECHSIG |
[030121-190408]
Wettbewerbsrecht: Ein
Anwendungsfall zur rechtswidrigen Titelführung – „Prof.Dr.Dr.h.c.“
– Teil 1 Teil 2
Teil 3
Der Rechtsanwalt ist
der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen
Rechtsangelegenheiten. - The lawyer is the appointed
independent advisor and representative in all legal matters. (§ 3 (1) Federal Lawyers’ Act -
Bundesrechtsanwaltsordnung).
I.
In dem nachstehend ausführlich geschilderten,
wettbewerbsrechtlich grundgelegten Streit vor dem LG und OLG Stuttgart, in welchem
die vom Beklagten ehedem aufgeworfene Frage des Wettbewerbsverhältnisses von
Anwälten untereinander anfänglich in völlig falschem Mittelpunkt stand, war
diese Frage mit dem am 18.3.2014 ergangenen Urteil des OLG Stuttgart fehlerhaft
beantwortet worden. Zur Lauterkeit im Recht tritt die Zulässigkeit der Führung
von Titeln nach dem Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg (§ 37, siehe hierzu
auch Sandberger: Landeshochschulgesetz Baden Württemberg, Kommentar 2014, 589
S. Gebunden, C.F. Müller ISBN 978-3-8114-3726-5) und anderer
Landeshochschulgesetze hinzu. Die streitgegenständlichen Ehrentitel, deren
Fragwürdigkeit – weil uno actu und
aufgrund nicht näher verifizierbarer Umstände mit einer in mangelhafter
englischer Sprache dokumentierten Urkunde gefasst - hier nicht weiter verfolgt
werden soll, wurden von einer privatrechtlich institutionalisierten, tertiären
Bildungseinrichtung vergeben, die ihren Sitz außerhalb der Europäischen Union
auf asiatischem Kontinent hat.
II.
Das Internet
erlaubt als Kraft gegen die scheinbar allmächtige Presse auch den eigenen
Standpunkt einem größeren Kreis der Öffentlichkeit gegendarstellend – wenn auch
nur unzulänglich - zugänglich zu machen. Im vorliegenden Fall besteht hierzu
deshalb Anlass, weil die Beklagtenseite die Presse in den Gerichtssaal
organisierte; sie erhoffte sich damit, wie die Berichterstattung in der
Waiblinger Zeitung und der Schorndorfer Zeitung eindeutig belegt, eine gewisse
Stimmungsmache gegen den Kläger und mehr Verständnis für den angegriffenen,
beklagten Titelträger. Diese Erwartung ist auch ausweislich der nahezu
ausschließlich mangelhaften journalistischen Darstellungen jedenfalls teilweise
in Erfüllung gegangen, weil die Stimmung-machenden Berichterstattungen
ersichtlich überhaupt nicht verstanden haben, dass es nicht nur moralisch
unschön ist, sondern wettbewerbsrechtlich nach UWG unlauter und zudem strafbar
ist (§ 132a StGB: Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen),
sich nicht zutreffend auszuweisen. Diesbezügliche Auffassungen entsprechen der
Waffengleichheit (hierzu zuletzt BVerfG vom 21.2.2001 - 2 BvR 140/00).
Namensnennung und Öffentlichkeit
Es ging vorliegend
nicht nur um das Problem des Wettbewerbsverhältnisses von Rechtsanwälten,
sondern auch um die Frage rechtswidriger und strafbarer Titelführung. Deshalb
kann und muss ethisch auf eine Namensnennung Dritter verzichtet werden,
obgleich dies angesichts der selbstgesuchten Flucht in die Öffentlichkeit durch
den Beklagten (unter anderem in Google-wikipedia
nachlesbar, leider nicht löschbar und leidlich richtig gestellt) im
vorliegenden Verfahren zweifelsfrei gerechtfertigt wäre: Wer die Öffentlichkeit
der Anonymität bewusst vorzieht, der handelt widersprüchlich, wenn er
Öffentlichkeit als den Raum bezeichnet, in welchem er nicht vorkommen will und
darf.
Wenn der Beklagte
die Öffentlichkeit sucht, gibt das den Medien noch kein Recht, den Kläger und seinen
Namen in die Öffentlichkeit zu zerren, nur weil der Kläger in
wettbewerbsrechtlicher Hinsicht um die Lauterkeit des Handelns bemüht ist.
III.
Die sachverhaltliche Aufklärung
verlangt das Wissen um alle Seiten. Das vorab angefragte baden-württembergische
Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst antwortete zur zulässigen
Führung türkischer Ehrendoktorgrade und Honorarprofessuren u.a. wie folgt: „Nach § 37 Abs. 1 S. 2 LHG sind ausländische Grade, Titel und
Bezeichnungen mit Angabe der verleihenden Hochschule zu führen. Für einen
Verzicht auf den die Herkunft bezeichnenden Zusatz besteht bei türkischen
Graden, Titeln und Bezeichnungen keine rechtliche Grundlage (vgl. § 37 Abs. 4
LHG i.V. m. KMK-Beschluss vom 15.05.2008)…Wir halten die Angabe der Herkunft in
strafrechtlicher Hinsicht jedoch für bedenklich, wenn sie nicht in engem
räumlichen Zusammenhang mit der Titel- oder Gradbezeichnung erfolgt.
Vorausgesetzt Herr X. wäre nach § 37 LHG zur Führung seiner ausländischen
Hochschultätigkeitsbezeichnung und seines Ehrendoktorgrades in der dargebotenen
Kurzform befugt, gibt zumindest die in seinem Internetauftritt praktizierte
Führung Anlass zur Beanstandung.“
IV. Die Historie des Falls „Prof.Dr.Dr.h.c.“:
1.
Bitte
um Unterlassung mit Unterlassungserklärung
(Vorliegend wurde die Bitte um einfachste Unterlassung selbstverständlich ohne Kostenforderung erbeten.
Damit sind diejenigen mundtot gemacht, die gerne behaupten, Rechtsanwälten als
Organen der Rechtspflege ging es ausschließlich und vorrangig um schnöden
Mammon; Journalisten sind oftmals neidisch und unwissend. Im Rahmen der
Streitwertfestsetzung muss allerdings auch
deren Mindestlohn für Anwälte wie Richter gewährleistet sein.
2.
Antrag auf Erlass eines einstweiligen Verfügung vom
8.5.2013.
3.
Einstweilige Verfügung des LG Stuttgart vom 8.5.21013.
4.
Widerspruch des
Verfügungsbeklagten.
5.
Beispiel
öffentlicher Rechtsberatung des Verfügungsbeklagten.
6.
Nicht-rechtskräftiges
Urteil des LG Stuttgart (35 O 40/13 KfH).
7.
Das klassische
Zitat als Beleg einseitiger Instrumentalisierung und Organisation der Presse
durch den Beklagten in den Gerichtssaal: Unzutreffende Berichterstattung
ortsnaher Zeitungen und pressemäßiger online-Auftritte zu Ehre
und Glück.
8.
Gegendarstellende
und erwidernde Erläuterungen I
9.
Erläuterungen
II (Ergänzung).
10. Berufungsbegründung vom
15.10.2013.
11. Berichterstattung in der Süddeutschen Zeitung vom 3.12.2013, S.
5: Doktor mit Sternchen – verlinkte
fremde Seite: www.sueddeutsche.de/karriere/streit-um-ehrentitel-doktor-mit-sternchen-1.1833922.
12. Die richtigstellende, aktuelle
Berichterstattung in focus-online:
Streit um Doktor- und Professorentitel.
13. Ergänzende
Ausführungen zur Berufungsbegründung und Klarstellungen gegenüber nebulöser
Rhetorik.
14. Terminbericht des
Klägervertreters über die mündliche Verhandlung vom 25.2.2014.
16. Streitwertbeschwerde vom
31.3.2014.
17. Beschluss des OLG vom
1.4.2014 zum Streitwert
18. Beschluss des OLG vom
9.4.2014 zur Urteilskorrektur
19. Urteil des LG Stuttgart im Hauptsacheprozess, welches der Beklagte erzwang (Teil 2).
20. Streitwertbeschluss des OLG Stuttgart in
Korrektur der verfehlten Streitwertannahme des LG Stuttgart (Teil 2).
21. Urteil des OLG Stuttgart vom 22.Oktober
2015 – 2 U 35/15 (Teil 2).
22. Der Beschluss des
Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21.3.2016 – 1 VB 92/15: Die
Verfassungsbeschwerde wird als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen. (Teil 3)
V.
Bewertung des einstweiligen
Verfügungsverfahrens mit Senatsurteils - Zur grundsätzlichen Frage des
Wettbewerbsverhältnisses zwischen Rechtsanwälten und der lauteren Titelführung
eines in der Türkei erworbenen “honorary professorship” wie eines “honorary
doctorate”
I.
Vorbemerkung
Nachdem eine Unterlassungsverfügung durch
das LG Stuttgart auf Antrag des Klägers ergangen war, hob dieselbe angerufene Kammer diese Verfügung auf mit der
Begründung, zwischen Rechtsanwälten bestehe dann kein Wettbewerbsverhältnis,
wenn diese vorrangig auf erklärten Spezialgebieten tätig seien, weshalb zur
Frage des gerügten “Titeltourismus” im vorliegenden Fall keine Stellung bezogen
werden müsse. Diese unverständliche Sicht der Dinge hat das OLG Stuttgart auf
die Berufung des Klägers hin mit einem Satz (nachstehend) zurückgewiesen und
den Beklagten antragsgemäß verurteilt (OLG Stuttgart 12 U 193/13). Hierbei
fällt auf, dass das OLG den schriftsätzlichen Erwägungen des Klägers vollauf
und ohne jede Abweichung gefolgt ist.
Wenn hierbei davon ausgegangen wurde, dass
„honorary professorship“
und ein „honorary doctorate“
einem deutschen Honorarprofessor bzw. einem deutschen Ehrendoktor gleichstehen
sollen, so darf man dies grundsätzlich weiterhin in Frage stellen. Vielen
unbefangenen Urteilern geht dies zu weit, wie auf dem Internetportal
von legal tribune online nachzulesen ist, wenn
hier der Blogschreiber Fritz Zimmermann überzeugend ausführt: „Hoffentlich führt dies nicht zu einer Inflation solcher
h.c. Titel, die bei Freiberuflern m.E. in der unbedarften Öffentlichkeit eben
doch mitunter zu einem Wettbewerbsvorteil führen. Um nicht mißverstanden
zu werden: Jedermann sollte das Recht haben, im Ausland erworbene (Ehren)titel, akadem. Grade ect. ohne überbordende behördliche Einschränkungen (sei es
durch Berufskammern, Wissenschaftsbehörden ect.) zu
führen, jedoch ausschliesslich die urkundlich
attestierte Originalform unter Angabe der verleihenden Institution. Allenfalls
kann bei völlig unverständlichen Bezeichnungen z.B. aus dem asiatischen Raum
ein erklärender Zusatz auf die deutsche Bedeutung hinweisen. Aber aus einem
"Honorary Doctor"
einen "Dr. h.c." zu machen geht für mich prinzipiell schon zu weit.“
Nicht bedeutsam im vorliegenden Verfahren
war, dass der Verfügungsbeklagte in diesem Verfahren keinen Nachweis über seine
angeblichen, aktuellen Lehrtätigkeiten erbringen konnte und auch erklärtermaßen
keine Gutachten über ihn und seine Lehrbefähigung vorhanden waren. Hiernach
steht fest, dass – auch wenn nach § 37 Abs. 2 LHG keine Äquivalenzprüfung
stattfindet - die dem LHG Baden-Württemberg vergleichbaren Voraussetzungen nach
§ 55 Abs. 3 mit Abs. 1 LHG mit Bezug auf die Einstellungsvoraussetzungen in §
47 Abs. 2 LHG nicht gegeben sind, wonach Voraussetzung ist: "Die für die Besetzung einer Professur
erforderlichen zusätzlichen wissenschaftlichen oder künstlerischen Leistungen
werden umfassend im Berufungsverfahren bewertet."
Ein Titel "Ehrenprofessor" ist
dem LHG Baden-Württemberg unbekannt, s.u. Der Gastprofessor (§ 55 Abs. 2 LHG)
muss einen Titel nach dem Gastsemester ablegen.
II.
Zu den Urteilsgründen
1. Zum
Wettbewerbsverhältnis von Rechtsanwälten
Eine Absage erteilte der Senat – der allerdings
kein Wettbewerbssenat war - der erstinstanzlichen Auffassung des
Verfügungsbeklagten, die Parteien seien keine Wettbewerber.
„Mitbewerber' ist jeder Unternehmer. der
mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder
Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Deshalb ist
“Unternehmer" jede natürliche oder juristische Person, die
geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer
gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt, weshalb Mitbewerberschaft vorliegt, wenn sich die Parteien auf
demselben sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt betätigen und
versuchen, Waren oder Dienstleistungen innerhalb derselben Verkehrskreise
abzusetzen.
Im Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen
Individualschutzes sind an das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses keine
hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn sich die Parteien im Absatz
ihrer Leistungen gegenseitig stören können. Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1
Nr. 6 UWG und damit aktivlegitimiert gemäß § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 UWG ist bei
Rechtsanwaltssozietäten nicht nur die Gesellschaft, sondern auch jeder in der
Sozietät tätige zugelassene Rechtsanwalt.
2. Zur
Frage der Titelführung von außereuropäischen, in der Türkei verliehenen
Ehrentiteln
Die Verwendung der Titel „Prof." und
„Dr. h.c." in unzulässiger Form ist als eine geschäftliche Handlung wegen
Irreführung zu unterlassen. Dies ist nach § 37 Abs. 2 LHG der Fall, wenn Titel
ohne Angabe der verleihenden Hochschule geführt werden. Dem stehen unionale
Bestimmungen und insbesondere Assoziationsabkommen, deren Zielsetzungen
wirtschaftlich geprägt sind, nicht entgegen. Dies gilt ungeachtet des Problems,
dass sich der Verfügungsbeklagte als deutscher Staatsangehöriger ohnehin nicht
auf die Regelungen des Assoziierungsabkommens mit der Türkei, des
Zusatzprotokolls und des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 berufen kann.
Deshalb stellt sich auch nicht die Frage, ob eine möglicherweise
verfassungsrechtlich bedenkliche Inländerdiskriminierung vorliegen könnte: Ein
in dieser Hinsicht per se abwegiger Gedanke..
3. Verstoß
gegen BRAO und BORA
Das unberechtigte Verwenden akademischer
Grade und Titel durch einen Rechtsanwalt stellt schon prima facie einen Verstoß
gegen berufsrechtliche Vorschriften der § 43 b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA dar. Dies
gilt unbeschadet der Tatsache, dass Rechtsanwaltskammern für die Zulässigkeit
oder Unzulässigkeit jedenfalls in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht nicht
zuständig sind.
III.
Streitwert – Titel sind nichts wert – “Mindestlohn“ für Rechtsanwälte
Ungewöhnlich und unverständlich war, dass
der Senat den Streitwert auf 1.000,- € herabsetzend festlegte. Dies ließ schon
erhebliche Unkenntnis im Lauterkeitsrecht erkennen. Diese Streitwertfestsetzung
beruhe nach Auffassung des Senats auf den §§ 51 Abs. 2, Abs. 3 S. 2, Abs. 4, 63
Abs. 3 S. 2 GKG. Die insoweit maßgebliche Bestimmung des § 51 Abs. 3 S. 2 GKG
lautet: „Bietet der Sach- und Streitstand
für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder
Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte, ist insoweit ein
Streitwert von 1 000 Euro anzunehmen, auch wenn diese Ansprüche nebeneinander
geltend gemacht werden.“
Dies führt zu einer Rechtsanwaltsvergütung
im Berufungsverfahren von netto (vor Umsatzsteuer mit zwei Gebühren) 251,- €
und für die erste Instanz auf 220,- € (vor Umsatzsteuer mit zwei Gebühren) mit
jeweils umfänglicher mündlicher Verhandlung.
Unterstellt man einmal, dass der
Klägervertreter in zahlreichen Schriftsätzen mit umfänglicher und ersichtlich
schwieriger juristischer Materie, was durch die Urteilsgründe selbst belegt
wird, die maßgeblich auf den klägerischen Erwägungen beruhen, nur 15 Stunden in
jeder Instanz tätig war, und zieht ferner die entstehenden Kanzleinebenkosten
von pauschal 30% für Miete, Sekretariat und sonstige Ausgaben pauschal ab,
kommt man auf einen anwaltlichen Vergütungsstundensatz von € 10,26 (in Worten:
zehn Euro und 26 Cent) für die I.
Instanz und € 11,71 für die II. Instanz - vor Abzug von Steuern und
Sozialabgaben. Mindestlohn für
Rechtsanwälte?
Die gerichtliche Grundgebühr beträgt nach §
34 Abs. 1 S. 1 i.V.m. KV-Schlüssel 1220 GKG im
vorliegenden Berufungsverfahren hiernach (vier Gerichtsgebühren à 53,- €)
insgesamt € 212,-.
Was lehrt uns das? Irreführende Titelführung wurde vom 4. Zivilsenat
des OLG Stuttgart in völliger Verkennung des GKG als wertlos angesehen. Dem steht entgegen, dass der Kläger
grundsätzlich den Streitwert bestimmt. Im Hauptsacheverfahren konnte dies Sicht
auch keinen Bestand haben.
IV.
Aufbrauchsfrist
für irreführende Titelträger?
Der Senat hatte ferner eine Aufbrauchsfrist gewährt. Ein diesbezüglicher Antrag des
Verfügungsbeklagten war nicht gestellt worden.
Zuzugeben ist, dass ein Unterlassungsgebot
den Schuldner – auch weil es sofort mit Zustellung des Titels uneingeschränkt
zu beachten ist – zuweilen ungebührlich hart trifft. (Köhler/Bornkamm, aaO. § 8 Rdnr. 1.59), weshalb
nach Treu und Glauben ein Schutz auch ohne Antragstellung angebracht erscheint.
In diesen Fällen muss das rechtsverletzende Verhalten für eine kurze
Übergangszeit ausnahmsweise geduldet werden. Aber war der Verfügungsgläubiger
wirklich in gutem Glauben? Wie die Historie zeigt, war mehr als grobes
Verschulden vorhanden. Der Verfügungsbeklagte
hat durch sein Schweigen den Verfügungskläger in den Prozess gelockt.
Sodann ist in zeitlicher Hinsicht
bedeutsam, dass der Verfügungsbeklagte seit der Zustellung des
landgerichtlichen Verbots im Mai 2013 (sic!) mit dem Verbot belegt war und
damit rechnen musste. Er hatte also bis zum Tag der mündlichen
Berufungsverhandlung bereits sehr sehr viel Zeit,
alles Erforderliche zu tun, um die Rechtsverletzung abzustellen, weil er auch
mit der Aufrechterhaltung dieses Verbots unbedingt rechnen musste und gerechnet
hat, was sein nachfolgender Zickzackkurs in seiner Titelverwendung in
verschiedenen Briefköpfen belegte. Von
einer Überraschung des Verfügungsbeklagten konnte also keine Rede sein.
Sodann war in Erinnerung zu rufen, dass das
gerichtliche Unterlassungsgebot „ohne Angabe der verleihenden Hochschule bei jedem dieser
Titel zu verwenden oder verwenden zu lassen“ dem eingeforderten Antrag "
anders als mit der zutreffenden Bezeichnung sowie jeweils ausschließlich in
jedem Fall der Verwendung unter Zusatz der verleihenden Hochschule zu verwenden
oder verwenden zu lassen“ entsprach.
Der Verfügungsbeklagte konnte sich auch nicht auf Rechtsirrtum berufen. Ein Rechtsirrtum ist nur dann entschuldigt,
wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer
anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte (BGH, Urteil
vom 24.9.2013, I ZR 187/12, Rdnr. 19 – Verrechnung von Musik in Werbefilmen). Der
Verfügungsbeklagte handelte aber ersichtlich fahrlässig, wenn er sich erkennbar
in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegte, in dem er eine von der
eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des
fraglichen Verhaltens mehr als in Betracht gezogen werden musste. Der
Verfügungsbeklagte musste damit rechnen.
Im Übrigen setzte eine solche Maßnahme
voraus, dass dem Schuldner durch ein unbefristetes Verbot unverhältnismäßige
Nachteile entstünden und die Belange sowohl des Gläubigers als auch der Allgemeinheit
durch eine befristete Fortsetzung der Wettbewerbswidrigkeit nicht unzumutbar
beeinträchtigt werden. Warum es dem Verfügungsbeklagten hiernach gestattet war,
alles erdenklich Mögliche zu tun, um
nicht mehr als – so der Streitgegenstand! – irreführender „Prof.Dr.Dr.h.c.“
herumlaufen zu dürfen, bleibt das OLG-Urteil schuldig zu begründen. Es
erscheint im vorliegenden Fall nicht unverhältnismäßig, durch den
Verfügungsbeklagten im Rahmen möglicher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen dies zu
entscheiden – dies zumal auch dann, weil der Verfügungsbeklagten wiederholt und
sehr kurzfristig in der Vergangenheit beispielsweise seinen Briefkopf sehr
schnell ähnlich einem Puzzle anzupassen in der Lage war. Diese Feststellungen
belegen, dass der Verfügungsbeklagte sich lange Zeit auf das drohende
Unterlassungsgebot hatte einstellen können, insbesondere auch deshalb, weil er
schon in der Vorinstanz durch – allerdings aufgehobenen – Beschluss zur
Unterlassung angehalten wurde. Deshalb war die gar nicht beantragte Gewährung
einer Aufbrauchsfrist auch gar nicht geboten.
Nicht
angenommen werden soll, die gewährte Aufbrauchsfrist
sei nicht zumutbar gewesen. Im Lichte der aufgezeigten Historie kommt hierfür
jedoch kein Verständnis auf und das Vertrauen in den Rechtsstaat ist
enttäuscht, wie auch die nachfolgende Darstellung zur Streitwertherabsetzung
zeigt. Während der Kläger alles tat, um einen lauteren Wettbewerb aufrecht zu
erhalten, musste sich der Verfügungsbeklagte im eV-Verfahren dem drängenden
Vorwurf irreführender Titelführung ausgesetzt sehen, lehnte sich aber sonnig
zurück und genoss die Irreführung.
Nach
hiesigem Verständnis handelt derjenige immer wettbewerbswidrig, der nicht
ausschließlich zu jedem einzelnen Titel den originären Ursprungsort der
Verleihung und des Verleihenden in der Originalsprache angibt. Eine Üniversitesi in
der Türkei beispielsweise wird nicht deshalb nicht automatisch zur Universität
in deutscher Sprache.
VI.
Streitwertbeschwerde
1.
Die
Streitwertherabsetzung war anzufechten gewesen. Dies auch deshalb, weil der
Streitwert heraufzusetzen war.
Das Landgericht entsprach der
Streitwertvorgabe des Verfügungsklägers in seiner Wertbemessung, der den Wert
sehr gering mit 2.500,- erst im Antragsverfahren (die außergerichtliche
Unterlassungsforderung war nicht mit einer Kostenerstattungsforderung
verbunden!) deshalb angegeben hatte, weil er darauf vertrauen durfte, dass der
Verfügungsbeklagte sich dem Antrag und dem zu erwartenden und auch erlassenen
Beschluss beugt. Nur hierfür war die diesseitige Streitwertvorgabe angemessen.
Dies gilt auch unbeschadet des Umstandes, dass der Verfügungsbeklagte im
Internet auftrat, in den Medien Werbung durch Rechtsberatung in Zeitungen mit
der unzulässigen Titelführung für sich machte und allgemein bewusst die Öffentlichkeit
suchte, indem er beispielsweise die Medien erst auf sich und den Prozess sowie
seinen angeblichen Titelführungsanspruch aufmerksam machte.
Wenn sich das OLG in seinem ebenso
vorläufigen Urteil an der „neuen Gesetzeslage“ zu § 51 GKG ohne jegliche
Begründung (!) orientierte, verfehlte es den Sinngehalt der Norm, weil sich
hierdurch keine Änderung zu Gunsten des Verfügungsbeklagten ergeben hat. Die
Gesetzesänderung zum 1. Oktober 2013 ist durch das Gesetz gegen unlautere
Geschäftspraktiken (BGBl. 2013 I Nr. 59, S. 3714 f) erfolgt, welches erst zum
9. Oktober 2013 und weit nach dem landgerichtlichen Urteil in Kraft getreten
war. Ob diese Gesetzesänderung wirklich für die geltend gemachte
Streitwertbewertung unbeachtlich ist, mag dahinstehen. Entscheidend ist, dass
die Bestimmungsänderung in § 51 GKG
keine andere Bewertung als die angemessene Heraufsetzung des Streitwerts
zulässt. Hierzu muss auf die Historie § 51 Abs. 2-3 GKG hingewiesen werden.
Diese Bestimmung dient der Bekämpfung des Missbrauchs von
wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen im Kosteninteresse des abmahnenden Anwalts
und seines Mandanten. Mit dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber für die
Bestimmung des Streitwert im Verhältnis zu der bis dahin geltenden Rechtslage
strengere Maßstäbe einführen (BT-Drs. 17/13057, S.
36): "Der
Streitwert soll sich nach der Bedeutung der Sache bestimmen, wie sie sich aus
dem Antrag des Klägers für ihn ergibt. Die Bedeutung der Sache entspricht dem
Interesse des Klägers an der erstrebten Entscheidung. Die Bedeutung der Sache
ist objektiv, nicht subjektiv zu verstehen. Durch das Abstellen auf die
Bedeutung der Sache gemäß dem klägerischen Antrag soll verhindert werden, dass
bei der Festsetzung des Streitwerts Umstände einfließen, die über das konkrete
Klagebegehren hinausgehen. (BT-Drs. 17/13057, S.
36)." Hierzu auch Köhler in NJW
2013, 3473 und derselbe zu § 12 Abs. 4 UWG in Köhler/Bornkamm, 32. Auflage
2014, Rdnr. 5.17 ff.).
Auf die bedenkenlose Anwendung hat auch die
Bundesrechtsanwaltskammer in ihrer Stellungnahme Nr. 27 vom Mai 2012 zum
Referentenentwurf des BMJ gegen unseriöse Geschäftspraktiken hingewiesen. Nur
wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts des
Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist ein
Streitwert von 1.000 Euro anzunehmen. Es handelt sich nicht um einen
Regelstreitwert in wettbewerbsrechtlichen Verfahren, sondern um einen
'Auffangstreitwert' (BT-Drs. 17/13057, S. 36), der
ausschließlich erst und dann zum Zuge kommt, wenn der Sach- und Streitstand
nichts anderes hergibt. Die Gerichte müssen deshalb zunächst zusehen, ob sich
nach § 51 Abs. 2 GKG ein Streitwert bestimmen lässt, der gegebenenfalls nach § 51 , Abs. 3 S. 1 GKG zu mindern ist.
Vorliegend waren genügend Ansatzpunkte
vorhanden und vorhanden gewesen sowie dem Gericht bekannt gemacht worden, den
Streitwert angemessen mit über 10.000,- € anzusetzen, weil ein solcher
Streitwert im vorliegenden Fall angesichts der enormen Bedeutung einer
irreführende Titelverwendung im Markt der Rechtsberatung allein zutreffend
wäre. Jeder Rechtsanwalt muss an dieser Stelle angesichts der enormen
Schwierigkeit des Falles und seiner Bearbeitungsintensität verzweifeln.
Wenn in der angeführten Gesetzesbegründung
darauf verwiesen wird, dass der Auffangstreitwert anzuwenden sein wird in
Fällen, in denen ein Verstoß gegen Marktverhaltensregeln im Sinne des § 4
Nummer 11 UWG außerhalb des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vorliegt
(BT-Drs. 17/13057 S. 30/31), dann stützt gerade diese
Begründung die gerechtfertigte Erhöhung, weil ja gerade in diesen Fällen eben
keine wettbewerbliche Situation gegeben ist. Wenn der Zweck der angeführten
Gesetzesänderung darin liegen soll, den Verbraucher im Zusammenhang mit der
Gebührengenerierung von abmahnenden Rechtsanwälten vor Kosten zu schützen, dann
ist eben dieser Zweck – jedenfalls im vorliegenden Fall – dann verfehlt, wenn
dem Verfügungsbeklagten ein breiter Verletzungsraum ohne sichtbare und spürbare
Folgen zugestanden wird.
Hinzu tritt, dass eine
Streitwertherabsetzung nach herrschender Auffassung auch nicht gewährt werden
soll, wenn der Prozess oder ein Rechtsmittel überflüssig oder völlig
aussichtslos ist. Das OLG Hamburg hatte bereits vor Jahren in seinem Beschluss
vom 22.11.1984 (3 W 177/84 = WRP 1985, 281; s.a. OLG Frankfurt GRUR-RR 2005,
296) darauf hingewiesen, dass es als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn ein
Unterlassungsschuldner trotz eindeutiger Sach- und Rechtslage und eigener
Beurteilungsfähigkeit (hier: der Verfügungsbeklagte als Rechtsanwalt!) wegen
der von ihm aufgrund seiner Betätigung als Unternehmer zu erwartenden Kenntnis
der dafür allgemein einschlägigen Vorschriften auf eine außergerichtliche
Unterlassungsaufforderung nicht reagiert und erst durch sein, auf erkennbar
sachgerechte, vernünftige Gründe ersichtlich nicht zurückzuführendes Schweigen
dem Unterlassungsgläubiger Veranlassung zur Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe
gegeben und dadurch selbst die Ursache für die Entstehung der Kosten gesetzt
hat, von denen er nunmehr mit seinem Streitwertherabsetzungsantrag einen
wesentlichen Teil auf seinen rechtstreuen Prozessgegner, dem gedrungenen
Kläger, abzuwälzen sucht. Der sach- und fachkundige Antragsgegner hatte es
selbst in der Hand, seine Kostenbelastung durch eine entsprechende Reaktion auf
das Abmahnschreiben überhaupt zu vermeiden, bzw. sie auf jeden Fall von
vornherein auf einen zumutbaren Umfang zu begrenzen.
2.
Besonderheiten der Streitwertfestsetzung
Auch wenn ein Rechtsmittel fraglich ist (§§
68 Abs. 1 Satz 4 iVm § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG), steht
dem Anwalt immer ein Anspruch nach § 32 Abs. 2 RVG zu. Ferner war zu bedenken,
dass eine Streitwertherabsetzung nach § 12 Abs. 4 UWG nicht in Frage stand,
weil ein solcher Antrag nachweislich nicht „vor der Verhandlung zur Hauptsache“
(§ 12 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 UWG) erfolgt war. Zudem stellte sich die
Frage, ob vorliegend nicht die Bestimmung des § 12 UWG überhaupt in dem Sinne
vorgeht, dass ausschließlich das Streitwertverständnis des Klägers im
Wettbewerbsprozess Vorrang hat.
Im Lichte der Tatsache, dass der
Verfügungsbeklagten über Jahre einen sehr großen und attraktiven Mandantenstamm
generieren konnte, was sich grob wettbewerbsstörend auch auf den Verfügungskläger
niederschlug, war auch die Spürbarkeitsschwelle des § 5 Abs. 2 S. 1 UWG
überschritten. Damit wurde die Chance vertan, den ungehörigen Titelmissbrauch
nicht widersinnig als wettbewerbsrechtlich zulässig und als quantité négligeable ansehen.
3.
Streitwertbeschwerde und Behandlung durch
das OLG Stuttgart
Die Streitwertbeschwerde vom 31.3.2014
wurde kurz und bündig mit Beschluss zurückgewiesen – siehe oben. Die
Erwägungsgründe des als Abänderungsantrag mit Gegenvorstellung zu bewertenden
Vorgehens können nicht überzeugen und sind eher von dem Verdacht getragen, das
ganze Verfahren als „überflüssig“ anzusehen. Der Kläger wurde für seinen Kampf
um die Lauterkeit im Wettbewerbsrecht nicht geschätzt, wie die Mühe und der
zeitliche und wirtschaftliche Aufwand belegen. Ob das an fehlendem
Titel-Verständnis der Richter lag, mag dahinstehen,
Auch die Beschlussgründe können aus den
obigen Gründen nicht überzeugen. Der 12. Senat setzte sich klar in Widerspruch
zu den Feststellungen des 2. Senats des OLG Stuttgart, aaO.
Rdnr. 11, der erkannt hatte, dass eine
Streitwertuntergrenze von 1.000,- € mit dem Gesetz gegen unseriöse
Geschäftspraktiken auf Fälle wie den vorliegenden nicht zu rechtfertigen ist.
4.
Urteilkorrektur
Das OLG-Urteil wurde auf Veranlassung des
Klägers am 9.4.2014 durch Beschluss dahingehend
richtig gestellt, dass nicht der Verfügungsbeklagte, sondern der Verfügungskläger
das klageabweisende, landgerichtliche Judikat angreifen musste.
VII.
Weitere Entwicklung
Siehe Teil 2.
sowie zum Versuch des Beklagten, den Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg
für seine türkische Sicht der Dinge zu gewinnen, Teil 3.