FLECHSIG


[11000-20240422]

Aktuelle Informationen und Hinweise:

1.      Binder/Vesting: Medienstaatsvertrag (ehemals Rundfunkstaatsvertrag) - C.H.Beck Verlag. Ich habe hierin seit der 1. Aufl. erschienen Frühjahr 2003 die §§ 9, 9a, 9b, 10, 31 bis 33 und 42 RfStV (in der Fassung des 6. RfStV 2002) kommentiert.

 

Nunmehr erscheint 2024 der Kommentar zum „Rundfunkstaatsvertrag“ in der 5. Auflage des Medienstaatsvertrages (MStV, ehedem RfStV) in welchem ich zu folgenden Paragraphen Kommentierungen vorgenommen habe:

§ 4: Informationspflichten, Verbraucherschutz,

§ 5: Auskunftsrechte,

§ 6: Sorgfaltspflichten,

§ 16: Auskunftspflicht und zuständige Behörden nach dem Europäischen Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen,

IV. Abschnitt: Besondere Bestimmungen für den privaten Rundfunk zu § 68: Sendezeit für Dritte (Parteien und Kirchen).

 

2.      Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks liegt in der Gestaltungskompetenz auf den Bundesgesetzgeber: Das GG muss geändert werden 

Hierzu erscheinen demnächst in MedienWirtschaft 2024 meine Ausführungen zur Frage, ob es richtig ist, die Rundfunkkompetenz weiterhin in den Händen der Länder zu belassen oder ob nicht eine Bundeskompetenz hierfür im Lichte insbesondere der Internationalisierung notwendig ist. Meine Forderung lautet deshalb auch: Was für die demokratische Freiheit relevant ist, gehört im Grundgesetz verankert.

 

Ich nehme die Gelegenheit wahr und führe nachstehend die hierfür relevanten sogenannten „Rundfunkentscheidungen“ des BVerfG, veröffentlicht in der amtlichen Sammlung, wie sie von mir zitiert werden, an:

1.           Rundfunkurteil - BVerfGE 12, 205 - Deutschland-Fernsehen vom 28. Februar 1961

2.           Rundfunkurteil - BVerfGE 31, 314 – Mehrwertsteuer vom 27. Juli 1971

3.           Rundfunkurteil - BVerfGE 57, 295 - FRAG-Duale Rundfunkordnung vom 16. Juni 1981

4.           Rundfunkurteil - BVerfGE 73, 118 - Niedersachsen-Urteil vom 4. November 1986

5.           Rundfunkurteil - BVerfGE 74, 297 - Baden-Württemberg-Beschluss vom 24. März 1987

6.           Rundfunkurteil - BVerfGE 83, 238 - WDR-Urteil vom 5. Februar 1991

7.           Rundfunkurteil - BVerfGE 87, 181 - Hessen-3-Beschluss vom 6. Oktober 1992

8.           Rundfunkurteil - BVerfGE 90, 60 - Gebührenurteil vom 22. Februar 1994

9.           Rundfunkurteil - BVerfGE 92, 203 - EG-Fernsehrichtlinie vom 22. März 1995

10.         Rundfunkurteil - BVerfGE 97, 228 - Kurzberichterstattung vom 17. Februar 1998

11.         Rundfunkurteil - BVerfGE 97, 298 - Extra-Radio vom 20. Februar 1998

12.         BVerfGE 119, 181 - Anforderungen Festsetzung Rundfunkgebühren vom 11.9.2007

13.         BVerfGE 121, 30 – Politische Parteien und Rundfunkunternehmen

14.         BVerfGE 136, 9 - Normenkontrollanträge gegen ZDF-Staatsvertrag vom 25.3.2014

15.         BVerfGE 149, 222 - Rundfunkbeitrag vom 18.7.2018

16.         BVerfGE 158, 389 - Staatsvertrag Rundfunkfinanzierung vom 20.7.2021

17.         BVerfGE 54, 129 – Römerberggespräche

 

 

3.      EuGH: Die Weiterverbreitung eines Rundfunksignals mittels einer hoteleigenen Kabelverteilanlage ist eine öffentliche Wiedergabe und deshalb gesondert genehmigungsbedürftig. (Leitsatz von mir) - EuGH, Urteil vom 11.4.2024 – C-723/22, BeckRS 2024, 6722 – Citadines

 

Steht die Wiedergabe einer Fernsehsendung an einem Ort in Frage, an dem die Öffentlichkeit diese Sendung außer-halb ihres eigenen Zuhauses, etwa in Bars, Restaurants, Hotelzimmern, Büros und Autohäusern, Zahnarztpraxen, Wartezimmern, Fitnessstudios oder Clubs, ist nicht sicher, ob die diesbezüglichen Rechte von Verwertungsgesellschaften erworben wurden. Filmhersteller bzw. Verleiher, welche an Rundfunkanstalten lediglich die Senderechte nach §§ 20, 20b UrhG übertragen haben, haben sich das Recht der öffentlichen Wiedergabe nach § 22 UrhG oft-mals vorbehalten. Deshalb sind Verwertungsgesellschaft - wie beispielsweise die Corint Media als VG deutscher wie auch internationaler privater Radio- und Fernsehsender - nicht in der Lage, diesbezügliche öffentliche Wiedergabe-rechte der beteiligten Urheber wie Regisseure, Kamera-leute oder Drehbuchautoren zu lizensieren, wenn diese ihre Rechte nicht über Arbeits- und Dienstverträge oder Eigen- und Auftragsproduktionsverträge an die Sender eingeräumt haben. Der EuGH hat mit seiner Entscheidung nochmals grundsätzlich zur Auslegung und zum Verständnis und damit zum Schutzumfang des absoluten, vollständig harmonisierten und weit zu verstehenden Verwertungsrechts der öffentlichen Wiedergabe nach Art. 3 I InfoSoc-RL iVm § 15 II UrhG ausführlichst Stellung genommen (zu den Grundzügen v.Ungern-Sternberg 2022, 1777 [1778] und 2204, 3 [5]). Die hierzu geforderte Gesamtbetrachtung muss zwei Tatbestandsmerkmale kumulativ er-füllen: Das Werk muss wiedergegeben werden und dies muss öffentlich sein. Dies aber kann nur individuell beantwortet werden.

In praktischer, rechtsberatender Hinsicht sind mit Blick auf die ständige Rechtsprechung des EuGH (Rn. 39 ff.) neben der Handlung einer Wiedergabe seine öffentliche Wiedergabe als gegeben zu erachten, wenn zu den Kriterien im jeweiligen Einzelfall insbesondere die zentrale Rolle des Nutzers und sein vorsätzliches Handeln bejahend zu beantworten sind. Ferner ist erheblich, ob die öffentliche Wiedergabe Erwerbszwecken dient und dies auch tatsächlich geschieht und an eine unbestimmte Zahl möglicher Adressaten sowie für ein „neues Publikum“ wiedergegeben wird. Anhand dieser Kriterien und gemäß der in Rn. 39 des vorliegenden Urteils angeführten individuellen Sachlage ist zu beurteilen, ob in einer Rechtssache, wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, der Betreiber eines Hotels, der in den Gästezimmern und dem Fitnessraum dieses Hotels Fernseh- und/oder Radiogeräte bereitstellt, an die er ein Sendesignal weiterleitet, eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 vornimmt. Grundsätzlich ist es Sache des nationalen Gerichts, wie der EuGH hervorhebt, festzustellen, ob dies in einem konkreten Fall zutrifft. Dieses Gericht hat insofern eine abschließende Beurteilung der Tatsachen vorzunehmen, ob alle relevanten Kriterien für die Auslegung des Unionsrechts gegeben sind, um die streitgegenständliche Handlung als öffentliche Wiedergabe zu beurteilen. Hierzu ist 1. zu berücksichtigen, ob der Handelnde absichtlich, das heißt willentlich ein Rundfunksignal zum Zwecke des Empfangs verbreitet; 2. müssen die Empfänger von unbestimmter Zahl und als „Öffentlichkeit“ anzusehen sind; 3. muss es sich hierbei um ein zusätzliches Publikum einer Rundfunksendung handeln, wobei es 4. ausreicht, wenn nur Mitglieder Zu-gang haben; 5. wird mit der streitgegenständlichen Handlung ein Erwerbszweck verfolgt. Das bloße Bereitstellen von Einrichtungen zum Kauf oder Anmieten von Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen, stellt zwar keine Wiedergabe im rechtlichen Sinne dar (Erwägungs-grund 27 InfoSoc-RL). Eine solche öffentliche Wiedergabe indizieren aber Rundfunkgeräte zum Empfang in Gäste-zimmern oder in Fitnessräumen (EuGH GRUR 2007, 225 – SGAE. Zur Ausnahme einer bloßen Zimmerantenne siehe Hillig zu BGH GRUR-Prax 2016, 265).

 

Ergänzend siehe hierzu Flechsig in GRUR-Prax 2024, S. ###

 

4.      OLG München: Cloud-Computing-Dienstleister sind in Deutschland nach §§ 54 ff. UrhG nicht vergütungspflichtig.

(Leitsatz von mir) - OLG München, Urteile vom 2.2.2024, – 38 Sch 60/22 WG e, GRUR-RS 2024, 2011. – Dropbox

 

Die vorliegenden Urteile entschieden erstmals in Deutsch-land überzu Klagen von Verwertungsgesellschaften gegen Cloudbetreiber auf angemessene Vergütung nach §§ 54 bis 54b UrhG. Wenn der Senat der Auffassung ist, dass das deutsche UrhG nicht die internetbasierte Nutzung einer Cloud erfasst, weil unter „Träger“ von Informationen und Daten körperliche Träger zu verstehen sind, und auch ein lediglich internetbasierter Zugriff auf eine Cloud-Dienste-anbietung führe funktional durch seine Nutzung nicht zur „Herstellung“ oder „Einführung“ eines Speichergeräts, dann stellt sich allerdings konkret die Frage, ob und wie Urheber und Leistungsschutzberechtigte für die zweifels-frei im Rahmen des Cloud-Computing erfolgende Vervielfältigung hierfür angemessen vergütet werden.

Mit Urteil des EuGH Austro Mechana/Strato (GRUR-RS 2022, 5261 = GRUR-Prax 2022, 287 [Müller]; Flechsig ZGE 2022, 154) steht fest, dass Kopien urheberrechtlich geschützter Werke, die durch private Nutzer mit einer „Cloud“ angefertigt werden, vergütungspflichtige Privat-kopien iSv Art. 5 II lit. b InfoSoc-RL sind. Sämtliche EU-Mitgliedsstaaten sind verpflichtet sicherzustellen, dass über eine Privatkopierschranke angemessene Ausgleichs-zahlungen erfolgen. Hiervon sind auch die Anbieter von Clouds nicht befreit, vorbehaltlich dass diese Vergütung nicht bereits anderweitig erfolgt. In Deutschland wird bis heute für Privatkopien und Kopien zum sonstigen eigenen Gebrauch (§ 53 I, II UrhG und §§ 60a bis 60f UrhG) mittels einer Cloud keinerlei Vergütung an die Rechteinhaber ent-richtet. Zwar nutzen die Endgeräteinhaber eben diese Clouds, jedoch entrichten weder die Importeure und Her-steller der von den aktuell veröffentlichten Tarifen der Verwertungsgesellschaften erfassten Geräte und Speichermedien noch die Hersteller oder Einführer von Cloud-Servern eine Vergütung für Vervielfältigungen in der Cloud. Unabhängig davon, ob diese Vervielfältigungen von Gesamtverträgen und Tarifen der Verwertungsgesellschaften erfasst werden, besteht im Lichte der angeführten Rechtsprechung des EuGH auch in Deutschland drin-gender Handlungsbedarf, um diese Vergütung schnellstmöglich klarstellend zu realisieren. Dies gilt ins-besondere für den Fall, dass auch der BGH das funktionale Verständnis der Kläger bezüglich der §§ 54 ff. UrhG nicht teilen sollte.

 

Ergänzend siehe hierzu Flechsig in GRUR-Prax 2024, S. 241.

 

5.      EuGH: Zur Pflicht des Gesetzgebers, auch Rundfunkanstalten den Anspruch auf Erfüllung eines grundsätzlich gegebenen Vergütungsrechts zu erfüllen.

 

Wie schon der Generalanwalt Anthony Collins in seinem Schlussantrag vom 13. Juli 2023 zur Entscheidung empfahl, hat nunmehr auch der EuGH (Erste Kammer) für Recht erkannt: Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die Sendeunternehmen, deren Aufzeichnungen der Sendungen von natürlichen Personen zum privaten Gebrauch und nicht zu kommerziellen Zwecken vervielfältigt werden, vom Anspruch auf einen gerechten Ausgleich im Sinne dieser Bestimmung ausschließt, soweit die Sendeunternehmen einen potenziellen Schaden erleiden, der nicht nur „geringfügig“ ist.

Hierfür wurden insbesondere folgende Erwägungen für entscheidungserheblich gehalten:

1. Mitgliedstaaten sind nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der InfoSoc-RL 2001/29 berechtigt, Ausnahmen oder Beschränkungen des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts für Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch natürliche Personen zum privaten Gebrauch und zu nicht unmittelbar oder mittelbar gewerblichen Zwecken vorzusehen, wenn die jeweiligen Inhaber dieses ausschließlichen Rechts einen gerechten Ausgleich erhalten.

2. Folglich muss auch Rundfunkveranstaltern in dem Mitgliedstaat, in welchem diese Ausnahme für Privatkopien gilt, grundsätzlich das Recht auf einen gerechten Ausgleich zuerkannt werden. Dies wird auch durch den Umstand des absoluten Verwertungsrechts in Art. 2 und 3 InfoSoc-RL gestützt.

3. Die Gewährung dieses Vergütungsanspruchs hat auch den Schaden im Blick zu haben, der diesen Rechtsinhabern, also den Rundfunkveranstaltern, durch die Privatkopieausnahme entsteht. Hierzu ist der in Art. 20 EuGRCharta verankerte Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten.

a. Das Fehlen oder eine nur "minimale" Höhe des den Sendeunternehmen durch die Privatkopieausnahme der Aufzeichnung des Sendesignals entstehende Schaden darf nicht darüber hinausgehen, was zur Wahrung eines gerechten Gleichgewichts zwischen den Rechtsinhabern und den Nutzern von Schutzgegenständen erforderlich ist, er muss also angemessen sein.

b. Dieser gerichtliche Hinweis und dieses Rechtsverständnis richten sich an das nationale Gericht, welches anhand objektiver Kriterien zu prüfen hat, ob Rundfunkveranstaltern - als nur einem Rechtsinhaber nach Art. 2 e) und 3 Abs. 2 d) InfoSoc-RL unter anderen - nur ein "geringfügiger" Schaden zugefügt wird.

c. Hierfür ist auch anhand objektiver Kriterien zu prüfen und zu bewerten, ob innerhalb der hier relevanten Leistungsschutzberechtigten alle Rundfunkveranstalter hinsichtlich des ihnen zugefügten Schadens durch Verneinung eines Vergütungsanspruchs identisch zu behandeln sind. Es könnte also beispielsweise durchaus zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkveranstaltern zu unterscheiden sein.

 

Fazit:

-        Der deutsche Gesetzgeber ist hiernach gefordert, das Urheberrecht in § 87 Abs. 4 entsprechend und unbedingt anzupassen. Hiernach sollte klargestellt werden, dass eine Vergütung für die Privatkopie des Sendesignals grundsätzlich entsprechend Art. 5 Abs. 2 InfoSoc-RL geschuldet ist und dies nicht nur für Vervielfältigungen von Aufzeichnungen gilt sondern auch die erstmalige Vervielfältigung, das heißt die Aufzeichnung der Sendung unterfällt hiernach dem diesbezüglichen Anspruch. Dies vorbehaltlich, dass diesbezüglich ein Schaden anzunehmen ist.

-        Auch der Unionsgesetzgeber gefordert, seine Richtlinie 2001/29/EG anzupassen. Er muss klarstellen, dass das in Art. 2 den Rundfunkanstalten gewährte Rechte des absoluten Vervielfältigungsrechts nicht nur für „die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten [gilt … e)] für die Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen, unabhängig davon, ob diese Sendungen drahtgebunden oder drahtlos, über Kabel oder Satellit übertragen werden“, sondern bereits der Sendungsmitschnitt dem gewährten Vervielfältigungsrecht unterfällt. Damit ist der These (Katzenberger GRUR-Int 2006, 190) zu widersprechen, wonach das in Art. 2 der Richtlinie normierte Vervielfältigungsrecht in Bezug auf die Rechte der Sendeunternehmen überhaupt nicht anwendbar ist, soweit es sich um die Aufzeichnung von Livesendungen handelt.

-        Die Innehabung eines auch den Live-Mitschnitt respektive die Aufzeichnung der Livesendung umfassenden Vervielfältigungsrechts des Signals einer Rundfunksendung sollte auch deshalb nicht mehr fraglich und damit von Art. 2 lit. e) InfoSocRL klarstellend erfasst sein, weil nunmehr auch die WIPO mit ihrem letzten Entwurf eines Copyright Treaty (SCCR 44-3 vom 6.9.2023, Art. 7 – https://www.wipo.int/meetings/en/details.jsp?meeting_id=78391) anerkannt hat, dass Broadcasting organizations shall enjoy the exclusive right of authorizing the fixation of their programme-carrying signals. Mit dem Beitritt der EU zu eben diesem demnächst zu verabredenden WIPO-Broadcasting Treaty erscheint eine solche Klarstellung auch unverzichtbar.

Ergänzend siehe hierzu Flechsig in GRUR-Prax 2023, S. 755

6.      Videokamera im Recht der GdWE und Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht – Zum Beschluss des LG Frankfurt vom 10.5.2023 – 2-13 T 33/2, BeckRS 2023, 10684.

Der Kern des WEG-Binnenrecht umfasst nicht das individuelle Persönlichkeitsrecht. Mit diesem Leitsatz kommt das LG Frankfurt zu der zutreffenden Aussage, dass auch nach der WEG-Reform die Eigentümer Ansprüche auf Unterlassung von Videoaufzeichnungen und damit verbundene Schadensersatzansprüche individuell geltend machen können. Deliktische Ansprüche aus § 823 BGB i.V.m. dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder aus der DSGVO sind nämlich keine Ansprüche, die nach § 9a Abs. 2 WEG der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Ausübung übertragen sind.

 

Ausführlich: Flechsig in https://www.juris.de/r3/document/jazo-AZOMW00004723/part/A - Ausgabe November 2023, zitiert AnwZert MietR 24/2023 Anm. 1.

 

7.      VG und Herausgeberbeteiligung

 

OLG München Urteil vom 27.7.2023 – 29 U 7919/21 (GRUR-RS 2023, 22410, Revision ist anhängig): Ausschüttungen der VG Wort an Herausgeber und deren Förderungsfonds auch in der Berufungsinstanz als rechtswidrig erachtet, UrhG §§ 27, 54; VGG § 32:

Meine Ausführungen zur Berufungsinstanz in GRUR-Prax 2023, 570.

 

Die VG Wort war und ist nicht berechtigt, Ausschüttungen der auf Fach- und Sachbücher entfallenden Erlösanteile aus der Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche durch Zahlungen an Herausgeber und an ihren Förderungsfonds Wissenschaft zu vermindern. (Leitsatz von mir)

 

Meine Ausführungen zur Ersten Instanz in GRUR-Prax 2021, 682:

LG München I, Teilurteil vom 4.10.2021 – 42 O 13841/19 (Erste Instanz, GRUR-RS 2021, 28922): Ausschüttungen der VG Wort an Herausgeber und Förderungsfonds rechtswidrig, UrhG §§ 27, 54,

1. Die satzungsgemäße Aufgabe der VG Wort umfasst keine Ausschüttungen an Herausgeber.

2. Die Verwaltungspraxis der VG Wort stellt nicht sicher, dass tatsächlich nur Ausschüttungen an berechtigte Urheber oder Inhaber von Sammelwerken vorgenommen werden, weshalb die Ausschüttung an Herausgeber auch nach erfolgter Satzungsänderung unwirksam war und ist.

3. Die von Januar 2016 bis September 2019 vorgenommenen Zuwendungen an den

Förderungsfonds Wissenschaft der VG Wort erfolgten zu Unrecht. (Leitsätze von mir)

 

8.      Persönlichkeitsrecht und Videokamera im Wohnungseigentumsrecht

Immer wieder treten zwischen Wohnungseigentümern untereinander Streitereien auf, weil persönlichkeitsrechtliche Belange eines entsprechenden Schutzes in Frage stehen. Digitale Affinitäten zu preisgünstigen Videokameraausstattungen mit weltweit zugänglichen Apps und deren Inhaltsverbreitung beispielsweise über Whatsapp oder Messenger verleiten immer mehr und immer öfter dazu, nicht nur persönliche Innenräume gegen fremdes beobachtendes Eindringen zu bewahren. Die Ausrichtung dieser Beobachtungstechnik auf WEG-relevante Flächen und Räume anderer Miteigentümer und Bewohner im Falle einer solchen individuellen und speziellen Nachbarüberwachung wirft auch die Frage auf, ob hier das WEMoG hilfreich sein kann, in Bezug genommen werden muss oder ob sich eine solche Bezugnahme bei der Schutzgewährleistung gegenüber der Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Videokameraüberwachung grundsätzlich verbietet.

 

Ausführlich: Flechsig, AnwZert MietR 22/2022 Anm. 1. - www.anwaltzertifikat.de

   

9.      Privatkopieabgabe für Cloud-Computing

Mit dem Urteil des EuGH in der Rechtssache C-433/20 hat der EuGH entschieden, dass die Privatkopieausnahme auch die Speicherung eines geschützten Werkes in der Cloud für private Zwecke freistellt und die Rechtsinhaber dafür einen angemessenen Ausgleich erhalten müssen. Es ist deshalb auch in Deutschland der Frage nachzugehen, welche Rechtsfolgen sich nach dem Urteil für das Cloud-Computing ergeben, ob und auf welchem Wege dem Urheber ein angemessener Ausgleich gegen den Cloud-Computing-Dienstleister zusteht bzw. zustehen kann. In Reaktion auf das Urteil sollte auch der nationale deutsche Gesetzgeber gegen Cloud-Computing-Dienstleister einen Anspruch auf angemessene Vergütung vorsehen. Ich habe mich deshalb in meinem nachfolgenden Beitrag dieser Frage zugewandt und einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet. Zur Frage der Bestimmung einer Privatkopieabgabe für Cloud-Computing-Dienstleistungen nach EuGH-Urteil Stratos/Austro-MechanaBeitrag in ZGE 2022/1, 154. Hierzu folgende Zusammenfassung wegen seiner übernationalen Bedeutung in English (aaO., S. 172): Summary in English: The ECJ (judgement in case C-433/20) decided that the ‘private copying’ exception (Art. 5(2)b Info-Soc-Directive 2001/29/EC) applies to a copy of a protected work stored in the cloud for private purposes. Rightholders must receive fair compensation, which, however, need not necessarily be imposed on cloud providers. The article examines the legal consequences of the ECJ’s ruling for cloud computing and whether and how authors can claim appropriate compensation from cloud computing service providers. It is argued that based on the ECJ’s reasoning appropriate remuneration (storage media remuneration) is also owed for private cloud computing storage. Accordingly, national and European legislation must provide for remuneration obligations not only for manufacturers, dealers and importers of storage media devices, but also for cloud computing service providers as operators. The paper proposes a legal regulation and puts it up for discussion.

 

10.   Angemessene Presseverlegervergütung – hierzu mein Beitrag in GRUR 2022, S. 939: Zur angemessenen Vergütung des Presseverlegerleistungsschutzrechts durch Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft

 

Hintergrund: Corint Media gegen Google: Kress-Medien berichteten am 15.10.2021 über die aktuellen Verhandlungen der Verwertungsgesellschaft Corint Media mit Google über eine angemessene Vergütung bezüglich des Leistungsschutzrechts der Presseverleger nach den §§ 87f ff UrhG. Der Forderungsanspruch beträgt in der Überlegung 420 Millionen Euro im Jahr 2022. Die Corint Media, die zahlenmäßig nahezu alle Presseverleger in Deutschland vertritt, hat hierzu Google einen entsprechenden Lizenzvertrag vorgelegt, der Google das Recht am Ausschließlichkeitsrecht des Presseverlegers gewähren soll, in seiner Suchmaschine Presseinhalte wie Überschriften, kurze Artikelausschnitten und Vorschaubildern in der Suchmaschine wiederzugeben.

Rechtlich relevant hierzu ist die Tatsache, dass eine prozentuale Lizenzvergütung der relevanten Umsätze durchaus als angemessen zu bewerten ist, wie auch von Seiten der Schiedsstelle des DPMA als Aufsichtsbehörde in dem Verfahren Sch-Urh 13/14 (vom 24.9.2015) in seinem Einigungsvorschlag an anderer Stelle entschied: Der Vergütungssatz von 11% gilt, sobald die Antragstellerin mindestens die Rechte an sämtlichen Presseerzeugnissen wahrnimmt, die durch die Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW) erfasst werden.

 

Danach gefragt, welche Einschätzung ich abgebe, durfte ich mich hierzu wie folgt äußern:

Die Forderung nach einer angemessenen Vergütung von Rechteinhabern für die Online-Nutzung ist strukturell kein neuer Fall für die Urheberrechtswissenschaft. Wenn Urheber im Buchbereich als regelmäßige Lizenzvergütung mindestens 15 % des Verkaufspreises an der Theke erhalten, dann können 11 % der Umsätze von Google für sämtliche deutschen Presseverleger nur als Untergrenze eines angemessenen Entgelts bezeichnet werden. Schließlich ist das urheber- und leistungsgeschützte redaktionelle Schaffen in diesem Vergütungsanspruch enthalten, weil eben diese Redakteure hieran anteilig vergütet werden müssen. Nur mit einer solchen angemessen erscheinenden Vergütung erscheint auch Vertragsparität gegeben, die der deutsche Gesetzgeber im Verhältnis zwischen Presseverlegern und Suchmaschinenbetreibern nicht außer Kraft setzen wollte.

Zur Weigerung von Google, mit Presseagenturen über die Vergütung für Leistungsschutzrechte zu verhandeln kann an dieser Stelle auf die noch näher auszuführende Entscheidung, den Beschluss Nr. 21-D-17 vom 12. Juli 2021 der französischen Autorité de la Concurrence über die Einhaltung der gegen Google erlassenen Anordnungen in der Entscheidung Nr. 20-MC-01 vom 9. April 2020 verwiesen werden, in welcher Google dafür bestraft wurde, nicht in angemessener Weise zu Vertragsverhandlungen bereit zu sein. Hierbei wurde folgender Beschluss gefasst (aaO., S. 145):

ENTSCHEIDUNG

Artikel 1: Es wird festgestellt, dass Google LLC, Google Ireland Ltd und Google France die erste, zweite, fünfte und sechste Anordnung missachtet haben, die die Wettbewerbersbehörde in ihrem Beschluss Nr. 20-MC-01 vom 9. April 2020 in Bezug auf Anträge auf einstweilige Maßnahmen des Syndicat des éditeurs de la presse magazine, der Alliance de la presse d'information générale und anderer sowie der Agence France-Presse erlassen hatte.

Artikel 2: Gegen Google LLC, Google Ireland Ltd und Google France wird wegen der in Artikel 1 genannten Verstöße gesamtschuldnerisch ein Zwangsgeld in Höhe von 500 000 000 EUR verhängt.

Artikel 3: Google LLC, Google Ireland Ltd und Google France werden angewiesen, die in Randnummer 560 dieser Entscheidung beschriebenen Anordnungen in jeder Hinsicht zu befolgen, vorbehaltlich eines Zwangsgelds in Höhe von 300 000 Euro für jeden Tag des Verzugs am Ende des Zweimonatszeitraums, der mit dem förmlichen Antrag auf Wiederaufnahme der Verhandlungen beginnt, den jede der Klägerinnen gegebenenfalls nach Zustellung dieser Entscheidung gestellt hat.

Achtung: Der in Artikel 2 der Entscheidung genannte Betrag von 500Millionen Euro ist kein Schreibfehler! So heißt es im Original:

DÉCISION

Article 1er : Il est établi que les sociétés Google LLC, Google Ireland Ltd et Google France ont méconnu les première, deuxième, cinquième et sixième injonctions prononcées par l’Autorité dans la décision n° 20-MC-01 du 9 avril 2020 relative à des demandes de mesures conservatoires présentées par le Syndicat des éditeurs de la presse magazine, l'Alliance de la presse d'information générale e.a. et l’Agence France-Presse.

Article 2 : Il est infligé, au titre des manquements visés à l’article 1er, une sanction pécuniaire de 500 000 000 euros, solidairement aux sociétés Google LLC, Google Ireland Ltd et Google France.

Article 3 : Il est ordonné aux sociétés Google LLC, Google Ireland Ltd et Google France de se conformer en tout point aux injonctions décrites au paragraphe 560 de la présente décision, sous astreinte de 300 000 euros par jour de retard à l’expiration du délai deux mois courant à compter de la demande formelle de réouverture des négociations formulée, le cas échéant, par chacune des saisissantes, après la notification de la présente décision.

11.   Plagiate können auch strafbar sein

Dass Urheber auch strafrechtlich geschützt sind, geht meistens unter. Wer sich näher informieren will, dem empfehle ich meinen Beitrag auf FAZ-Einspruch vom 21.9.2021 mit folgender Einleitung zu meinem Gastbeitrag:

Sowohl gegen Baerbock, Laschet als auch Scholz wurden Plagiatsvorwürfe erhoben. Dass Plagiate abseits des Zivilrechts auch strafrechtlich verfolgt werden können, ist den wenigsten bekannt.

 

12.   Europäisches Urheberrecht in der Digitalität - Copyright in DigitalityVortrag-pps- Download der Bezirksgruppe Südwest der GRUR zu den Umsetzungen der EU-RL 2019/789 und 2019/790 am Dienstag, dem 12.11.2019, Haus der Wirtschaft, 70174 Stuttgart. – Der Beitrag/Vortrag kann eingesehen werden unter www.JurPc.de

 

The lecture is dedicated to the current European directives on copyright of 17 April 2019 and gives an overview of the expected transposition into national law. In order to promote the proper functioning of the internal market, the so-called CabSat Directive (EU) 2019/789 regulates the further distribution of television and radio programmes from other Member States and ensures that the licensing of copyrights and related rights to works and other subject-matter which are the subject of transmission of certain types of television and radio programmes are facilitated. Copyright contract law in the strict sense - unlike the substantive, absolute right to protect intellectual property - has so far only been partially harmonised in the Internal Market. The Directive (EU) 2019/790 on Copyright and Related Rights in the Digital Single Market of 17 April 2019 has brought about considerable changes in this regard, which give rise to the expectation of harmonized copyright contract law in the European Union and must be transposed into national law in all Member States by June 2021.  The contribution/lecture can be viewed at www.JurPc.de.

 

13.   Stellungnahme betreffend die Einladung des BMJ vom 28.6.2019 zu A. Zur RICHTLINIE (EU) 2019/790 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG (CDSM- RL)

14.   Historie: Wie könnte ein verlegerischer Ausgleichsanspruch nach Art. 16 (ehedem 12) des CDSM-RL-E in deutsches Recht umgesetzt werden? Tagung des GRUR FA Urheber- und  Verlagsrecht am 23.1.2019 in München – MPI „Aktuelle Fragen zum Urhebervertragsrecht“, veröffentlich in https://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20190013 vom 29.1.2019.

Hier geht es zu dem vom EU-Parlament angenommenen Text. – hier die Richtlinie 2019/790/EU.

Hier geht es zu den aktuellen Bewertungen von Prof. Dr. Georg Sandberger in https://www.jurpc.de, erschienen am (8.Mai 2019).

15.   Festvortrag gehalten aus Anlass der Examensfeier der Juristischen Fakultät und des Landesjustizprüfungsamtes am Mittwoch, dem 25. Juli 2018 im Festsaal der Universität, Tübingen.

16.   Vortrag aus Anlass des Symposiums der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen am 8.12.2017: 500 Jahre Schutz des Werkschaffens - Sind wir für die Zukunft gerüstet? Hier downloaden.

  1. Im August 2017 ist mein Buch: Schottus adversus Egenolphum erschienen; hier geht es zum Flyer und zur Adresse des MuR-Verlages. Das Inhaltsverzeichnis kann auch hier abgerufen werden.
  2. Leibniz Universität Hannover – Geschichte und Zukunft des Urheberrechts: Ac publico Edicto cautum esse volumus – Das ediktalische Privileg des Jakob Spiegel vom 14. September 1535.
  3. In Festschrift für Martin Vogel, herausgegeben von Albrecht Götz von Olenhusen und Thomas Gergen (2017): Die Verlautbarung Kaiser Karls V. zum Schutze der Autorenrechte des kaiserlichen Sekretärs Jakob Spiegel.
  4. In Festschrift für Mathias Schwarz, herausgegeben von Christoph Haesner, Johannes Kreile, Gernot Schulzue (2017): Öffentliche Wiedergabe durch erwerbsorientierte Verlinkung im Netz.
  5. Doktorandenclub Tübingen - Ideen, Texte, Codes: Warum gehören mir meine Werke? Diskussionsforum am 12.7.2016 – Download
  6. Creative Commons Lizenzen – geschickt nutzen – Vortrag im Rahmen der Vortragsreihe Urheberrecht und wissenschaftliches Publizieren UB Stuttgart 2015/16 am 25.4.2016.
  7. Zur sektoralen Datenschutzkontrolle bei Rechtsanwälten siehe die von mir betreute Dissertation von Tassillo-Rouven König.
  8. Der Fall des „Prof. Dr. Dr.h.c.“ aus der Türkei – Unlautere und irreführende Titelverwendung eines Rechtsanwalts im Fokus neutraler Darstellung: Teil 1 (eV-Verfahren) und Teil 2 (Hauptsacheverfahren) sowie Teil 3 Landesverfassungsbeschwerde und ihre Zurückweisung wegen offensichtlicher Unbegründetheit.
  9. Zur Tagung des Arbeitskreises Geschichte und Zukunft des Urheberrechts – Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 3. bis 5. September 2015: Der erste „Urheberrechtsstreit“ vor dem Reichskammergericht 1533/34.
  10. Editorial MMR 2015 8/9: Wir sind im Europäischen Urheberrecht angekommen


 

 

 

 

 

 

 

 

 

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