|
C. Rechtliche Grundlagen journalistischer Berichterstattung inm Hörfunk und Fernsehen
I. Grundregeln der Berichterstattung
III. Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung
C. Die Grundregeln der Berichterstattung
1. Die Sorgfaltspflichten bei der Informationsbeschaffung und der Recherche
Für die Rechtmäßigkeit der fairen journalistischen Berichterstattungg sind neben den allgemeinen Gesetzen nach Art. 5 Abs. 2 GG die presserechtliche Verhaltensgrundsätze, Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages und der Gesetze über die Landesrundfunkanstalten und der hieraufhin erlassenen Richtlinien (z.B. zur Trennung von Werbung und Programm, des Jugendschutzes u.a.) sowie der Landesrundfunkgesetze zu beachten. Diese Sorgfaltspflichten, die sich im einzelnen nach den Aufklärungsmöglichkeiten richten, sind für die Medien und damit besonders den Rundfunk strenger als für Privatleute.
Die Informationsbeschaffung versteht sich als das Beschaffen von Wissen über und durch die verschiedensten Informationsquellen: Pressestellen, Behörden, Polizei und Staatsanwaltschaften, Universitäten und Institute, Politiker und Parteien, aber auch nichtstaatliche Organisationen wie Unternehmen, Verbände, Betroffene und Opfer, Banken, Gewerkschaften und Verbraucherzentralen, Umweltorganisationen und Bürgerinitativen, Kongresse und Konferenzen. Die bei einem Informations- oder Hintergrundgespräch vereinbarte Vertraulichkeit ist grundsätzlich zu wahren. Der Rundfunkjournalist wahrt wie jede in der Presse tätige Person das Berufsgeheimnis, macht vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und gibt Informanten ohne deren ausdrückliche Zustimmung nicht preis. Dies gilt nur dann nicht, wenn bei sorgfältiger Güterabwägung - inbesondere bei Informationen von Straftätern - gewichtige staatspolitische Gründe überwiegen, wenn die verfassungsmäßige Ordnung berührt und gefährdet ist. Die in Art. 5 GG gesicherte Eigenständigkeit der Presse reicht von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen. Deshalb gehört zur Pressefreiheit auch ein gewisser Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Presse und privaten Informanten. Er ist unentbehrlich, da die Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten kann, diese Informationsquelle aber nur dann ergiebig fließt, wenn sich der Informant grundsätzlich darauf verlassen kann, dass das "Redaktionsgeheimnis" gewahrt bleibt.
Mit der Informationsgesellschaft sind weitere Hilfsmittel der Recherche in den Mittelpunkt journalistischer Informationsbeschaffung gerückt, die bisher unbekannt waren: Die offline-Medien der Datenbanken und das online-Medium Internet. Diese jederzeit auf Tastendruck zugänglichen und verfügbaren Informationen bieten über Suchmaschinen (z.B. Yahooh) ein nahezu unbeschränktes Feld diversen Netzwissens.
Wichtig und bedeutsam für richtige Recherche ist die Einhaltung folgender Grundsätze: Wahrheit, Authentizität und Glaubwürdigkeit, die jegliche Vorverurteilung vermeidet. Die Informationsbeschaffung hat deshalb jegliches Druckausüben zu vermeiden. “Scheckbuch”-Recherche, also beispielsweise das Kaufen von Informationen etwa frustrierter oder entlassener Mitarbeiter verbietet sich ebenso wie das Überrumpel oder die Verführung zur Preisgabe von Geheimnissen. Der Journalist darf niemals “agent provocateur” sein. Hier gilt, was der Pressekodex in Ziffer 4 einfordert: Bei der Beschaffung von Nachrichten, Informationsmaterial und Bildern dürfen keine unlauteren Methoden angewandt werden. Die verdeckte Recherche ist im Einzelfall nur dann zulässig, wenn damit Informationen von besonderem öffentlichem Interesse beschafft werden, die auf andere Art und Weise nicht zugänglich sind.
Die nachfolgenden Sorgfaltspflichten und Programmgrundsätze kleiden diese Anforderung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk besonders aus.
2. Tragende Programmgrundsätze des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Der besonderen Verantwortung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt und damit als Bestandteil einer der tragenden Säulen der freiheitlich demokratischen Grundordnung ist im Hinblick auf die Bewahrung und Festigung der verfassungsmäßigen Rundfunkfreiheit in den meisten Rundfunkgesetzen der Länder (vgl. z.B. § 6 Abs. 1 SWR-StV) durch die ausdrückliche Benennung von Programmgrundsätzen Rechnung getragen. Hierzu zählen insbesondere die folgenden Programmverpflichtungen:
2.1. Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung und Wahrheit
Als verfassungsmäßige Ordnung wird die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG verstanden, die unter Ausschluß jeglicher Gewalt und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.
- Wahrheitspflicht
Die Wahrheitspflicht dergestalt, dass Aussage und Wirklichkeit übereinstimmen,
entspringt dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, das auch dagegen
schützt, dass jemandem Äußerungen in den Mund gelegt werden,
die er nicht getan hat und die seinen von ihm selbst definierten sozialen
Geltungsanspruch beeinträchtigen. Im Zusammenhang hiermit kann es
nur Sache der einzelnen Person selbst sein, über das zu bestimmen,
was ihren sozialen Geltungsanspruch ausmachen soll; insoweit wird der Inhalt
des allgemeinen Persönlichkeitsrechts maßgeblich durch das Selbstverständnis
seines Trägers geprägt. Es wäre daher mit Art 2 Abs 1 GG
unvereinbar, für die Frage, ob das Unterschieben einer nicht getanen
Äußerung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen beeinträchtigt,
nicht maßgebend auf dessen Selbstdefinition, sondern auf das Bild
abzustellen, das sich andere - begründet oder unbegründet - von
ihm machen oder machen könnten. Diese mögen zu einem solchen
Vorgehen durch ihre Grundrechte, insbesondere das Recht der freien Meinungsäußerung
berechtigt sein: Den Inhalt des Grundrechts des Betroffenen kann ihre Auffassung
nicht konstituieren, wenn anders das Persönlichkeitsrecht nicht um
seinen eigentlichen Gehalt des Ureigenen und Nicht-Vertretbaren gebracht
werden soll, das zu schützen es bestimmt ist. Aussage und Wirklichkeit
müssen übereinstimmen.
2.2. Verwirklichung der freiheitlich demokratischen Grundordnung
Den Begriff der "freiheitlichen demokratischen Grundordnung" in Art. 21 Abs. 2 GG und seine wesentlichen Elemente hat das Bundesverfassungsgericht in einem seiner ersten Urteile vom 23. Oktober 1952 aus einer Gesamtinterpretation des Grundgesetzes und seiner Einordnung in die moderne Verfassungsgeschichte heraus entwickelt:
Als oberste Grundwerte des freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaates
ist die freiheitliche demokratische Grundordnung anzusehen, die das Grundgesetz
innerhalb der staatlichen Gesamtordnung der "verfassungsmäßigen
Ordnung" als fundamental ansieht.
Dieser Grundordnung liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Mensch
in der Schöpfungsordnung einen eigenen selbständigen Wert besitzt
und Freiheit und Gleichheit dauernde Grundwerte der staatlichen Einheit
sind. Diese Grundordnung ist eine wertgebundene Ordnung. Sie ist das Gegenteil
des totalen Staates, der als ausschließliche Herrschaftsmacht Menschenwürde,
Freiheit und Gleichheit ablehnt. Die freiheitliche demokratische Grundordnung
läßt sich hiernach als eine Ordnung bestimmen, die unter Ausschluß
jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung
auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen
Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt.
Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind - wie erwähnt - mindestens die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition zu rechnen. Freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Art. 21 Abs.2 GG ist danach eine Ordnung, die unter Ausschluß jeglicher Gewalt und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt.
2.3. Förderung der Zusammengehörigkeit im vereinten Deutschland
Nach der Präambel des GG in der Fassung des Einigungsvertrages vom 31.8.1990 (BGBl. 1990/II, 889) hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, gegeben. Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben damit in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk. Diese Zusammengehörigkeit im vereinten Deutschland zu fördern ist beispielsweise eine weitere Aufgabe des SWR (vgl. § 6 SWR-Staatsvertrag). In dessen § 6 Abs. 2 SWR-StV wird die Bindung des SWR an die freiheitlich demokratische Grundordnung weiter konkretisiert. Die Zielsetzung und das Bestreben des SWR muß in seinen Programmen darauf ausgerichtet sein, diesen Vorgaben gerecht zu werden:
2.4. Würde des Menschen, sittliche, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen anderer
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist nach Art. 1 Abs. 1 GG die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Die Verfassung hebt hierin ergänzend das Bekenntnis des Deutsche Volkes zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt hervor. Die Grundrechtsbindung der Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung an die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht wird deshalb in den Landesrundfunkgesetzen und im RfStV als für die Berichterstattung unbedingt zu beachtende Regel hervorgehoben. Hierzu gehören die hierin herausgestellten, weil ausdrücklich erwähnten und nachfolgend besonders erwähnten Rechte: Achtung vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit, Stärkung vor Glauben und Meinung anderer, Förderung der Gleichstellung von Frau und Mann, Abwehr der Gefährdung der Völkerverständigung und von Frieden und Freiheit, Hinwirken auf diskriminierungsfreies Miteinander der Gruppen in der Gesellschaft.
Das Grundgesetz und mit ihm das BVerfG versteht diesen Begriff als tragendes Konstitutionsprinzip im System der Grundrechte, mit dem der soziale Wert- und Achtungsanspruch des Menschen untrennbar verbunden ist und der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates oder der Mitmenschen zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt. Menschenwürde in diesem Sinne ist nicht nur die individuelle Würde der jeweiligen Person, sondern die Würde des Menschen als Gattungswesen. Jeder besitzt sie, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen und seinen sozialen Status. Deshalb kann der Mensch über seine Menschenwürde auch nicht allein verfügen. Sein Einverständnisse zu die Menschenwürde verletztenden Berichten ist unwirksam. Menschenwürde ist nicht disponibel. Rundfunkanstalten haben im Rahmen ihrer Berichterstattung die Würde des Menschen achten.
2.5. Grundsätze für die Zusammenarbeit im ARD-Gemeinschaftsprogramm "Deutsches Fernsehen"
In den Grundsätzen für die Zusammenarbeit im ARD-Gemeinschaftsprogramm "Deutsches Fernsehen" vom 01.12.1982 (i.d.F. vom 28.04.1998) haben die Intendanten der ihre Verantwortung für das ARD-Gemeinschaftsprogramm bekräftigt, die bestimmt wird durch die Landesrundfunkgesetze bzw. Staatsverträge, durch das Länderabkommen über die Koordinierung des Ersten Fernsehprogramms sowie durch die Verwaltungsvereinbarung über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Fernsehens (Fernsehvertrag). Hierin stimmen die Intendanten der Landesrundfunkanstalten darin überein, dass Sendungen für das ARD-Gemeinschaftsprogramm den hierin formulierten Grundsätzen der Programmgestaltung entsprechen müssen, die sich in der Praxis bewährt haben. Über Sendungen, die nach diesen Grundsätzen Grenzfälle darstellen könnten, unterrichten die Anstalten einander rechtzeitig vor der Sendung ausführlich. Neben den Vorgaben betreffen die Programmgestaltung enthalten diese Grundsätze Regeln für die Programmkontrolle und die Behandlung von Beschwerden sowie für Gegendarstellungen und andere äußerungsrechtliche Ansprüche.
• Programmgestaltung
Der Rundfunk darf weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe
ausgeliefert werden und muß alle in Betracht kommenden Kräfte
im Gesamtprogramm zu Wort kommen lassen; für das Gesamtprogramm muß
ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und
gegenseitiger Achtung gewährleistet sein. Diese Verpflichtungen gelten
nicht für das ARD-Gemeinschaftsprogramm als ganzes, sondern auch für
dessen einzelne Sparten. Ein möglichst umfassendes und vielfältiges
Programmangebot ist die Voraussetzung für die Erfüllung dieser
Verpflichtungen.
Das ARD-Gemeinschaftsprogramm dient der Information, Bildung und Unterhaltung.
Es soll den Rundfunkteilnehmern insbesondere einen objektiven und umfassenden
Überblick über das internationale, nationale und längerbezogene
Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen geben. Auf der Grundlage
der verfassungsmäßigen Ordnung und der allgemeinen Gesetze trägt
das ARD-Gemeinschaftsprogramm zur Verwirklichung der freiheitlichen demokratischen
Grundordnung bei. Die Würde des Menschen und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht
sind zu achten. Dem Schutz der Jugend und dem Recht der persönlichen
Ehre ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Gewalt darf nicht verharmlost
oder verherrlicht werden. Die sittlichen und religiösen Überzeugungen
der Bevölkerung sind zu achten.
Das Gebot der Vielfalt gilt besonders für informierende und meinungsbildende
Sendungen. Profilierte politische Aussagen und Analysen sind ebenso wesentliche
Bestandteile des Programms wie die Information über bisher unbekannte
Sachverhalte und Zusammenhänge.
Auch die Berichterstattung über nicht verfassungskonforme Meinungen,
Ereignisse oder Zustände gehört zur Informationspflicht. Die
selbstverständliche Anerkennung der vom Grundgesetz festgelegten freiheitlich-demokratischen
Verfassungsordnung schließt eine sachlich-kritische Auseinandersetzung
mit dem geltenden Recht nicht aus. Keinesfalls darf jedoch durch das Programm
zu gewaltsamen Veränderungen dieser Verfassungsordnung oder zu strafbaren
Handlungen aufgefordert werden.
Im Programm vertretene Meinungen sind nicht die Meinungen der Rundfunkanstalten,
sondern Meinungsäußerungen der Autoren und Befragten; sie müssen
als solche erkennbar sein. In Berichten und in Beiträgen, in denen
sowohl berichtet als auch gewertet wird, dürfen keine Tatbestände
unterdrückt werden, die zur Urteilbildung nötig sind. Alle Beiträge
haben den Grundsätzen journalistischer Sorgfalt und Fairneß
und in ihrer Gesamtheit der Vielfalt der Meinungen zu entsprechen. Zur
journalistischen Sorgfalt gehört, dass Tatsachenbehauptungen überprüft
werden; Vermutungen sind als solche zu kennzeichnen. Sind für eine
kritisch analytische Sendung Tatsachenbehauptungen vorgesehen, die sich
gegen eine Person oder Institution richten, so gehört es zur sorgfältigen
Vorbereitung der Sendung, die Betroffenen soweit erforderlich und möglich
zu hören und deren Auffassung nicht außer acht zu lassen.
Bei der Wiedergabe von Interviews und Statements darf der Sinn der
Aussage nicht verändert oder verfälscht werden. Das gilt insbesondere
bei Kürzungen und bei der Verwertung von Archivmaterial. Personen,
die um Mitwirkung an einer Sendung gebeten werden, dürfen über
Art und Zweck ihrer Mitwirkung nicht getäuscht werden.
Die Sendungen der Tagesschau dürfen keine Meinungsäußerungen
der Redaktion enthalten; in Korrespondentenberichten sind Meinungsäußerungen
zulässig. Kommentare im Rahmen von Tagesschau und Tagesthemen müssen
von den Nachrichten deutlich abgegrenzt sein. Auf die für den Kommentar
verantwortliche Rundfunkanstalt ist hinzuweisen.
• Programmkontrolle
Die Aufsichtsorgane der im ARD-Gemeinschaftsprogramm beteiligten Rundfunkanstalten
überwachen die Einhaltung der für das ARD-Gemeinschaftsprogramm
geltenden gesetzlichen bzw. staatsvertraglichen Programmrichtlinien unter
Berücksichtigung dieser Grundsätze.
• Beschwerden
Beschwerden gegen eine Sendung des ARD-Gemeinschaftsprogramms werden
jeweils an die einbringende Rundfunkanstalt weitergeleitet und von dieser
behandelt. Unberührt bleibt die Behandlung eingehender Beschwerden
durch jede ausstrahlende Rundfunkanstalt.
• Gegendarstellungen und sonstige äußerungsrechtliche Ansprüche
Hierin ist festgelegt, dass die formellen und materiellen Voraussetzungen
ordnungsgemäßer Gegendarstellungsbegehren und sonstiger äußerungsrechtlicher
Ansprüche sich grundsätzlich nach den für die jeweils in
Anspruch genommene Rundfunkanstalt maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften
richten. Diese Regelungen sollen eine einheitliche Handhabung für
das Gemeinschaftsprogramm ermöglichen. Dabei gelten folgende Grundsätze:
- Die redaktionelle Verantwortung für die im Gemeinschaftsprogramm
ausgestrahlten Beiträge trägt die jeweils einbringende Rundfunkanstalt.
Unberührt hiervon bleibt die Verantwortung aller am Gemeinschaftsprogramm
beteiligten Rundfunkanstalten für die Verbreitung dieser Beiträge
innerhalb ihres jeweiligen gesetzlichen Sendegebiets.
- Zuständig für die Bearbeitung von Gegendarstellungsbegehren
und sonstigen äußerungsrechtlichen Ansprüchen ist die den
Beitrag einbringende Rundfunkanstalt. Sofern Ansprüche bei einer anderen
am Gemeinschaftsprogramm beteiligten Rundfunkanstalt geltend gemacht werden,
leitet diese das Begehren an die zuständige Rundfunkanstalt weiter.
Die abgebende Rundfunkanstalt verbindet dies mit der rechtsverbindlichen
Zusage gegenüber dem Antragsteller, dass sie eine von der zuständigen
Rundfunkanstalt abgegebene Erklärung oder eine gegen diese erwirkte
gerichtliche Entscheidung als auch für sich verbindlich anerkennen
wird. Die einbringende Anstalt ist bevollmächtigt, verbindliche Erklärungen
für die anderen am Gemeinschaftsprogramm beteiligten Rundfunkanstalten
abzugeben.
- Bei Gegendarstellungen beschränkt sich die Verpflichtung
jeder am Gemeinschaftsprogramm beteiligten Rundfunkanstalt zur Ausstrahlung
einer Gegendarstellung auf ihr jeweiliges gesetzliches Sendegebiet und
gewährt nur insoweit einen Anspruch. Die am Gemeinschaftsprogramm
beteiligten Rundfunkanstalten verpflichten sich jedoch, für eine von
der zuständigen Rundfunkanstalt anerkannte oder gerichtlich gegen
sie erwirkte Gegendarstellung die erforderliche Sendezeit zur Verfügung
zu stellen und sie innerhalb ihres Sendegebiets zeitgleich im Gemeinschaftsprogramm
auszustrahlen.
2.6. Pressekodex als Standesrecht für Presse und Rundfunk
Soweit der sogenannte Pressekodex als Standesrecht der Presse in Frage steht, umschreibt der Kodex die für die Presse in § 6 LPG geforderte Sorgfaltspflicht und das Verhalten der in der Presse Tätigen. Wenngleich diese Standesregeln nicht auf staatlichem Recht basieren, so sind diese Regeln doch zur Frage der erwähnten Sorgfalts- und Rechtspflichten erheblich und für die Frage der Rechtswidrigkeit und des Verschuldens von Belang. Diese Regeln können somit neben die gesetzlichen Vorgaben der Sorgfaltspflicht treten und diese ergänzen.
2.7. Sorgfaltspflichten des Rundfunks
Aus den erwähnten Gesetzen, Staatsverträgen und Standesregeln können folgende tragende Hauptpflichten benannt werden, die allgemein für Journalisten gelten:
- Recherchepflicht
Die Pflicht zur Recherche ist die wichtigste puplizistische Sorgfaltspflicht.
Je größer die Betroffenheit und damit ein Schaden durch die
Rundfunkberichterstattung zu sein droht, umso größere Anforderungen
bestehen für den Journalisten, der Sache auf den Grund zu gehen. Diese
Verpflichtung ist um so höher anzusetzen, je schwerer und nachhaltiger
das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt
werden kann. Es besteht mithin ein 'gleitender Sorgfaltsmaßstab'.
- Wahrheitspflicht
Aussage und Wirklichkeit müssen übereinstimmen. Meinungen
sind frei; Tatsachen müssen stimmen. Deshalb ist der Journalist nur
gehalten und kann auch nur gehalten sein, Tatsachenbehauptungen zu recherchieren.
Treffen diese Tatsachen nicht zu, ist der Kritik der Boden des Zulässigen
entzogen. Deshalb muß die Quelle zuverlässig sein, was beim
Telefonieren ebenso fraglich ist, wie wenn man sich allein auf die Schilderungen
des Betroffenen verläßt, den Informanten nicht überprüft.
- Vollständigkeit der gegebenen Informationen
Vollständigkeit heißt, nichts wegzulassen, was wichtig
ist. Entlastendes wie Belastendes sind gleichermaßen darzustellen.
Fehlende Sendezeit oder zeitlicher Informationsdruck sind demgegenüber
unbeachtlich. Wer beispielsweise über strafrechtliche Verurteilung
berichtet und nicht hinzufügt, ob das Judikat rechtskräftig ist,
der berichtet unvollständig.
Wird dem durchschnittlichen Zuschauer oder Zuhörer die bestimmte Schlußfolgerungen nahegelegt, beispielsweise eine Auftragsvergabe sei zumindest mit entscheidend wegen höchstpersönlicher Gespräche, dann kann eine solche Folgerung geeignet sein, die persönliche Ehre des Betroffenen, dem die Bevorzugung persönlicher Bekannter im geschäftlichen Bereich unterstellt wird, zu beeinträchtigen. Gerade unter Blickpunkt, dass Tatsachen mitgeteilt werden, aus denen erkennbar eigene Schlußfolgerungen gezogen werden sollen, so dürfen hierbei keine wesentlichen Tatsachen verschwiegen werden, die dem Vorgang ein anderes Gewicht geben könnten und deren Kenntnis für den Rezipienten unerläßlich ist, der sich im Kernpunkt ein zutreffendes Urteil bilden will. Liegt es nahe, aus mehreren unstreitigen Tatsachen eine bestimmte (ehrverletzende) Schlußfolgerung zu ziehen, so ist jedenfalls eine bewußt unvollständige Berichterstattung rechtlich wie eine unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln, wenn die Schlußfolgerung bei Mitteilung der verschwiegenen Tatsache weniger naheliegend erscheint und deshalb durch das Verschweigen dieser Tatsache beim unbefangenen Durchschnittsleser ein falscher Anschein entstehen kann. Von daher müssen für die Vollständigkeit einer solchen Berichterstattung die gleichen Grundsätze gelten, die von der Rechtsprechung für die Verdachtsberichterstattung aufgestellt worden sind. Eine vollständige Berichterstattung erfordert, dass dem Rezipienten auch entlastenden Umstände mitgeteilt werden.
- Pflicht zur Ausschaltung des Verbreitens von Falschem
Aus der Wahrheitspflicht folgt immanent die Verpflichtung, Falsches
aus der Berichterstattung auszuschalten.
- Eingeschränkte Recherchepflicht bei besonderen Quellen
Auf Mitteilungen von Behörden, insbesondere von Gerichten,
Ministerien, Polizei und Staatsanwaltschaft kann man sich verlassen. Dies
gilt dann nicht, wenn diese Informationen offensichtlich überholt
oder widerrufen sind. Entsprechendes gilt für die Übernahme von
Informationen anerkannter Nachrichtenagenturen wie dpa (Deutsche Presse-Agentur),
AFP (Agence France-Presse), AP (The Associated Press), Reuters und ddp/ADN
(Deutscher Depeschen-Dienst/Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst). Ohne
ein derartiges Verlassendürfen auf Agenturmaterial würde keine
Rundfunksendung mehr ausgestrahlt und keine Zeitung mehr erscheinen.
Hierzu zählen aber nicht Mitteilungen privater Pressestellen
von Unternehmen oder Privatpersonen; ebenso darf man sich nicht einfach
auf die Meldung in anderen Sendungen oder Zeitungen verlassen: Abschreiben
ist keine journalistische Recherche. Wer dies tut, und also seine Informationen
aus anderen Medien lediglich übernimmt, kommt grundsätzlich seiner
Recherchepflicht nicht nach.
- Anhörung von Sachverständigen und Fachleuten
Das zu den privilegierten Quellen Gesagte gilt entsprechend für
die Anhörung von Sachverständigen und Fachleuten. Es stellt aber
eine Überspannung der von der Presse zu fordernden Sorgfalt dar, wenn
von Journalisten gefordert wird, vor Veröffentlichung ihrer Berichte
eine fachwissenschaftliche Beratung nicht zu verzichten. Reportagen werden
nicht erst dann rechtmäßig, wenn der Rundfunk zuvor ein Sachverständigengutachten
einholt, auch wenn - wie im Falle einer Berichterstattung über eine
Chemiefabrik - die im Abwasser vorgefundenen chemischen Stoffe bereits
auf städtische Veranlassung in einem Laboratorium mit einem für
das Chemiewerk ungünstigen Ergebnis auf Schadstoffe untersucht worden
waren. Insoweit kann dem Journalisten stets nur die mit seinen Mitteln
einzuhaltende 'pressemäßige' Sorgfalt abverlangt werden. Der
Kritiker in der zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf die Aktualität
der Beiträge angewiesenen Presse muß sich deshalb einer in Wahrnehmung
berechtigter Interessen beabsichtigten Äußerung nicht schon
dann enthalten, wenn er sie nicht mit den ihm zur Verfügung stehenden
Mitteln zur Gewißheit des Richters beweisen kann.
- Aktualität der Information
Die Verletzung der vorstehend dargestellten Verpflichtungen zur
Wahrheit und Vollständigkeit sind durch Zeitdruck grundsätzlich
nicht zu rechtfertigen. Der erwähnte gleitende Sorgfaltsmaßstab
kann nur in Ausnahmefällen bei erheblich gesteigertem Informationsbedürfnis
gegenüber der Verpflichtung zur Überprüfung von Fakten zugunsten
der Aktualität ausschlagen. Die ‚Sendung muß noch heute gefahren
werden‘ ist deshalb kein Argument, wie überhaupt die Konkurrenzierung
mit anderen Sendern oder Medien, insbesondere der tagesaktuellen Zeitung
nicht die Gefahr der Rechtsverletzung rechtfertigen kann.
Der Rundfunk muss auf eine Veröffentlichung überhaupt
verzichten, solange er nicht einen Mindestbestand an Beweistatsachen zusammengetragen
hat.
- Trennung von Nachricht und Kommentar
Der allgemein anerkannte journalistische Grundsatz der Trennung
von Kommentar und Berichterstattung ist u.a. in § 7 Abs. 2 Satz 3
MDStV niedergelegt: Kommentare sind von der Berichterstattung deutlich
zu trennen und unter Nennung des Verfassers als solche zu kennzeichnen.
In gleichem Sinne lauten die Vorschriften des LandesmedienG (§ 56
Abs. 5). Das ZDF hat beispielsweise in seinen Richtlinien für die
Sendungen des Zweiten Deutschen Fernsehens diesen Grundatz ebenfalls nochmals
ausdrücklich festgehalten, der im Rundfunkstaatsvertrag gleichlautend
niederlegt ist.
Die ARD-Programmgrundsätze verbieten deshalb beispielsweise,
dass die Sendungen der Tagesschau Meinungsäußerungen der Redaktion
enthalten; in Korrespondentenberichten sind Meinungsäußerungen
zulässig. Kommentare im Rahmen von Tagesschau und Tagesthemen müssen
von den Nachrichten deutlich abgegrenzt sein. Auf die für den Kommentar
verantwortliche Rundfunkanstalt ist hinzuweisen.
- Integrität des Zitats
Die Wahrheitspflicht dergestalt, dass Aussage und Wirklichkeit
übereinstimmen, entspringt wie gesehen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht,
das auch dagegen schützt, dass jemandem Äußerungen in den
Mund gelegt werden, die er nicht getan hat und die seinen von ihm selbst
definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen. Im Zusammenhang
hiermit kann es nur Sache der einzelnen Person selbst sein, über das
zu bestimmen, was ihren sozialen Geltungsanspruch ausmachen soll; insoweit
wird der Inhalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts maßgeblich
durch das Selbstverständnis seines Trägers geprägt. Es wäre
mit Art 2 Abs 1 GG unvereinbar, für die Frage, ob das Unterschieben
einer nicht getanen Äußerung das Persönlichkeitsrecht des
Betroffenen beeinträchtigt, nicht maßgebend auf dessen Selbstdefinition,
sondern auf das Bild abzustellen, das sich andere, insbesondere Zuhörer
und Zuschauer - egal ob begründet oder unbegründet - von ihm
machen oder machen könnten. Diese mögen zu einem solchen Vorgehen
durch ihre Grundrechte, insbesondere das Recht der freien Meinungsäußerung
berechtigt sein: Den Inhalt des Grundrechts des Betroffenen kann ihre Auffassung
nicht konstituieren, wenn anders das Persönlichkeitsrecht nicht um
seinen eigentlichen Gehalt des Ureigenen und Nicht-Vertretbaren gebracht
werden soll, das zu schützen es bestimmt ist.
Weder die öffentliche Meinungsbildung noch die demokratische Kontrolle können es rechtfertigen, falsch zu zitieren. Die im Interesse öffentlicher Meinungsbildung gestellte Aufgabe der Information wird gerade verfehlt, wenn dies nicht geschieht. Auch dürfen Zeitdruck oder Schwierigkeiten der Nachprüfung hierbei eine Rolle spielen, wie dies bei anderen Tatsachenmitteilungen der Fall sein kann. Demjenigen, der eine Äußerung wiedergibt, werden keine wesentlichen oder gar unzumutbaren Erschwerungen oder Risiken auferlegt, wenn er verpflichtet wird, korrekt zu zitieren. Die falsche Wiedergabe beeinträchtigt deshalb das allgemeine Persönlichkeitsrecht desjenigen, dessen Äußerung zitiert wird. Ein solcher Eingriff ist durch Art. 5 Abs. 1 GG nicht gedeckt. Im anderen Fall wäre es, namentlich den Medien gestattet, mit der Wahrheit leichtfertig zu verfahren und Rechte der Betroffenen außer acht zu lassen, ohne daß dazu ein Anlaß oder gar eine Notwendigkeit bestünde.
Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts in Form der Beeinträchtigung des Rechts am eigenen Wort liegt auch dann vor, wenn die Wiedergabe einer Äußerung, die mehrere Interpretationen zuläßt, zwar einer aus der Sicht des Durchschnittsrundfunkteilnehmers vertretbaren Deutung folgt, aber auch ein anderes Verständnis möglich ist, das die Rechte des Zitierten besser wahrt, und der Zitierende bei seiner Äußerung nicht kenntlich macht, dass es sich um seine Interpretation einer mehrdeutigen Aussage handelt.
- Anhörung des Betroffenen
Die Pflicht zur Anhörung des Betroffenen wird regelmäßig
dadurch beachtet, dass dem Betroffenen selbst Gelegenheit gegeben wird,
zu den gegen ihn erhobenen Beschuldigungen Stellung zu nehmen. Dies gilt
insbesondere für die Fälle der Verdachtsberichterstattung und
öffentlicher Bedeutung der Nachricht. Dieser Verpflichtung kommt
der Journalist nur bei ernsthaftem Versuch nach, auch die andere Seite
zu hören; wenige vergebliche Telefonanrufe oder Faxschreiben reichen
hierfür in der Regel nicht aus.
Der Umstand, dass der Betroffene nicht selbst gehört worden ist, schließt nicht notwendig aus, dass in Wahrnehmung berechtiger Interessen gehandelt wurde. Die Pflicht, den Betroffenen zu hören, ist nicht formal zu verstehen; sie ergibt sich vielmehr aus den Anforderungen an eine sorgfältige Recherche. Sie kann insbesondere entfallen, wenn der Betroffene bereits zu bestimmten Vorwürfen zu Wort gekommen ist oder von ihm nichts anderes zu erwarten ist, als dass er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestreitet. Er braucht keine Gelegenheit zu erhalten, dies zu wiederholen. Es liegt auf der Hand, dass dies nicht bedeutet, eine Anhörung könne immer entfallen, wenn damit zu rechnen ist, der Betroffene werde eine ehrverletzende Behauptung lediglich bestreiten, denn das dürfte regelmäßig der Fall sein. Es kommt vielmehr darauf an zu ermitteln, welches Gewicht einer solchen Behauptung zukommt: Wenn der Journalist allein eine einzige Aussage eines Dritten kennt, dann kann er keine Vorstellung über deren Gewicht haben, bevor er den Betroffenen überhaupt dazu gehört hat. Deshalb kann das Bestreiten Anlaß dafür sein, nach weiteren Gründen für die Richtigkeit zu suchen und - wenn sie sich nicht finden - den Hörer oder Zuschauer in entsprechender Form darauf aufmerksam zu machen, dass sich weitere Bestätigungen nicht haben ermitteln lassen.
Erhält der Rundfunk von dritter Seite Hinweise auf unzutreffende Tatsacheninformationen, so muß dem wie in dem Fall, dass der Betroffene von sich aus den Rundfunk informiert, diesen Darlegungen nachgegangen werden. Die Beachtung dieser Nachrichten und Stellungnahmen erhöht den Wahrheitsgehalt der Recherche.
Wer zu Vorwürfen vor der Kamera Stellung nimmt, erteilt damit regelmäßig seine Einwilligung in die Ausstrahlung und die Namensnennung, da er bei einer solchen Stellungnahme davon auszugehen hat, dass sie gerade zum Zweck der Veröffentlichung erfolgt.
- Pflicht zur Sachlichkeit und des Ausschließens persönlicher
Interessen bei der Berichterstattung
Berichterstattung durch Rundfunk - wie mittels der Presse - erfolgt
im Interesse der Allgemeinheit. Das Indienststellen der medialen Möglichkeiten
von Hörfunk und/oder Fernsehen für persönliche Zwecke verbietet
sich; denn Rundfunkfreiheit ist eine dienende Freiheit: Sie dient der freien
individuellen und öffentlichen Meinungsbildung. Dies ist kein Grundrecht,
das seinem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Träger
oder seinen Mitarbeitern zum Zwecke der Persönlichkeitsentwicklung
und -entfaltung sowie der Verfolgung seiner persönlichkeitsrechtlichen
Interessen eingeräumt ist.
- Freihalten der Berichterstattung von strafbarem Inhalt
Das Strafrecht und die strafrechtlichen Nebengesetze sind allgemeine
Gesetze im Sinne des die Berichterstattung einschränkenden Grundrechts
aus Art. 5 Abs. 2 GG. Die Einhaltung strafrechtlicher Verbote ist mithin
eine Selbstverständlichkeit.
- Maßgebend für die Richtigkeit der Darstellung ist der objektive
Eindruck des Hörers und Zuschauers
Jede Berichterstattung muß auf den Hörer und Zuschauer
ausgerichtet sein und sein Verständnis und sein Verstehen-Können
berücksichtigen. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob eine Tatsachenbehauptung
ausdrücklich aufgestellt wird oder ob dies 'verdeckt' geschieht. Maßgebend
ist vielmehr der Inhalt der Aussage, wie er von dem unbefangenen
Fernsehzuschauer oder Rundfunkhörer verstanden wird.
Die Feststellung, ob eine Äußerung den Schutz des
Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG genießt und ob sie die Tatbestandsmerkmale
eines der in Art. 5 Abs. 2 GG bezeichneten Gesetze erfüllt, sowie
die dann erforderliche fallbezogene Abwägung setzen nämlich allerdings
voraus, dass die Äußerung in ihrem Sinngehalt zutreffend erfaßt
worden ist. Daher stellt Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG nicht nur Anforderungen
an die Auslegung und Anwendung meinungsbeschränkender Gesetze, sondern
auch an die Erfassung und Würdigung der Äußerung selbst.
Anders läßt sich ein wirksamer Schutz der Meinungsfreiheit nicht
gewährleisten.
So verstößt die Verurteilung wegen einer Äußerung
schon dann gegen Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, wenn diese den Sinn, den das Gericht
ihr entnommen und der Verurteilung zugrunde gelegt hat, nicht besitzt oder
wenn bei mehrdeutigen Äußerungen die zur Verurteilung führende
Deutung zugrunde gelegt worden ist, ohne dass andere, ebenfalls mögliche
Deutungen mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen worden sind.
Stehen sich Einschätzungen des Empfängerhorizonts und
Meinungsumfragen gegenüber, dann ist wiefolgt zu entscheiden: Entweder
ist gegen die vom Rundfunk vorgelegte 'Verbraucherbefragung' nichts einzuwenden;
dann ist die Einschätzung des urteilenden Gerichts über die Eindrücke,
die ein Fernsehbericht bei den Zuschauern erweckt hat, erschüttert.
Oder es gibt Gründe, die an der Stichhaltigkeit der Meinungsumfrage
zweifeln lassen oder gegen die Verwertung eines solchen Beweismittels im
Gegendarstellungsverfahren sprechen. Eine Zurückweisung einer Verbraucherbefragung
kann nur dann in Frage kommen, wenn es Gründe gibt, hieran zu
zweifeln oder dieses nicht als Beweismittel beispielsweise im Gegendarstellungsverfahren
zuzulassen.
Allerdings: In den Fällen, in denen sich Sendungen ersichtlich politisch interessierte und aufmerksame Zuschauer oder Hörer voraussetzen und sich an diese wenden, darf der Inhalt einer Information nicht mit Hilfe des Maßstabes eines “flüchtigen Rezipienten“ bestimmt werden, weil in solchen Fällen dieser Begriff und Empfängerhorizont kein angemessener InterpretationsmMaßstab ist.
- Pflicht der Güterabwägung bei Kollision der Informationsfreiheit
mit den Rechten Dritter
Gerade zu letzterer Pflicht als einer besonderen Ausprägung
journalistischer Sorgfaltspflicht hat der Bundesgerichtshof hervorgehoben,
dass der Rundfunk - wie die sonstigen Medien Presse und Film auch
- bevor er sich zur Veröffentlichung entschließt, verpflichtet
ist, durch die ihm möglichen Ermittlungen die Gefahr, über den
Betroffenen etwas Falsches zu berichten, nach Kräften auszuschalten
versucht. Deshalb muß der Rundfunk und damit der Journalist auf eine
Veröffentlichung überhaupt verzichten, solange nicht ein Mindestbestand
an Beweistatsachen zusammengetragen ist. Nicht ausreichend und unzulässig
ist es deshalb, wenn nicht die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der gegen
den Betroffenen erhobenen Vorwürfe für die Berichterstattung
entscheidend angesehen werden, sondern allein der Umstand, dass diese Vorwürfe
weiterhin öffentlich diskutiert werden.
- Nie privat
Die journalistische Aufgabe ist es in erster Linie, Nachrichten
zu beschaffen und Informationen zu vermitteln. Dies heißt aber auch
- und zukünftig zunehmend öfter - , Geschehnisse und Nachrichten
angemessen darzustellen und einzuordnen sowie durch das Heer der Informationen
zu lenken, indem wichtige von weniger wichtigen, notwendige von zu vernachlässigenden
Information getrennt und die informationsnotwendigen Inhalte entweder vorrangig
oder ausschließlich vermittelt werden. Wenn dabei der Journalist
zunehmend zum Deuter wird, weil er diese Bewertung von Informationen für
die Zukunft namens der gesamten Gesellschaft tut, sich dies zutraut oder
gar „anmaßt“, dann ist er als journalistischer Treuhänder der
Allgemeinheit und im demokratischen Diskurs immer verpflichtet zu sagen,
woher er kommt. Was für den Journalisten selbst in Beziehung
auf Dritte gilt: I never believe in a high motiv, if there is a low
motiv beside, das sollte auch für ihn selbst gelten: Es ist Ausfluß
der Wahrheitspflicht, die Institution des Mediums Rundfunk - wie andere
Medien - nicht für eigene Belange weder unmittelbar oder auch nur
mittelbar in Anspruch zu nehmen, ohne dies nicht deutlich und gerechtfertigt
zu sagen.
- Kein ‚öffentliches‘ Mithören-Lassen ohne Information
des Gesprächspartners
Das heimliche Mithören-Lassen von Telefongesprächen
zwischen Anrufer und Angerufenem ist im allgemeinen unzulässig und
verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Gesprächspartners.
Wer jemand mithören lassen will, hat seinen Gesprächspartner
vorher darüber zu informieren. Dieser ist nicht gehalten, sich seinerseits
vorsorglich zu vergewissern, dass niemand mithört.
- Erhöhte Achtsamkeit bei der Verwendung von Archivmaterial
Die Verwendung von Archivmaterial unterliegt der besonderen Beachtung
und Nachprüfung in rechtlicher wie in tatsächlicher Hinsicht
deshalb, weil die hierin wiedergegebenen Sachverhalte nicht einfach und
beliebig genutzt werden können. So können hierauf u.a. Drittrechte
oder Unterlassungstitel liegen, die eine Verwendung unter Strafe stellen.
Die Rundfunkanstalt ist wie der Journalist verpflichtet, diese Verwendungsbeschränkungen
zu beachten.
Besonders gilt diese Überprüfungspflicht neben der
Verwendung von Textmaterialien im Hinblick auf Foto- und Filmmaterial.
Fotos, die von einer anerkannten Agentur oder einer Behörde gestellt
werden, sind von dieser Überprüfungspflicht befreit, sofern hierauf
keine besonderen Verwendungsbeschränkungen liegen.
- Sicherung und Beachtung von Verwendungsbeschränkung der
Rundfunkanstalt
Es entspricht allgemeiner Meinung, dass Medienunternehmen gegenüber
ihren Mitarbeitern alle nur irgendwie zumutbaren Maßnahmen ergreifen
müssen, um einen Rechtsverstoß zu verhindern. Dazu gehören
Belehrungen der Mitarbeiter unter Hinweis auf die ihnen im Falle eines
Verstoßes aus ihren Dienstverträgen drohenden Nachteile ebenso
wie Hinweise auf die dem Unternehmen angedrohten Sanktionen in der Zwangsvollstreckung.
Beides hat in schriftlicher Form zu geschehen. Ferner ist die Einhaltung
des Verbots ständig zu überwachen.
Eine Rundfunkanstalt muß - wie ein Presseunternehmen -
gegenüber den journalistischen Mitarbeitern wie denjenigen des Archivs
bezogen auf deren Verhalten straffe Maßnahmen ergreifen und darf
nicht nur allgemeine Anweisung geben. Sie muß ihre Mitarbeiter
gegebenenfalls persönlich in die Verantwortung nehmen und sie zur
gesteigerten Aufmerksamkeit auch durch Androhung von Rechtsfolgen anhalten.
Insbesondere darf rechtlich nicht weiter verwendbares Produktions- und/oder
Archivmaterial weder in Teilen und noch ohne einen wesentlichen Rechtehinweis
dem recherchierenden Journalisten ausgehändigt werden. Dies ist durch
geeignete technische Vorkehrungen bezogen auf das archivierte Material
sicherzustellen. Hierzu muß entweder sichergestellt werden, dass
der Gesamtvorgang nur einheitlich ausgegeben wird oder es muß bei
einer Ausschnittsverwendung beziehunsgweise Herausgabe in geeigneter Form
auf bestehende Einschränkungen der Berichterstattungsfreiheit hingewiesen
werden. Maßstab für entsprechende Hinweise wird die Hervorhebung
der besonderen Verantwortung des Rundfunks für die Sorge sein, den
in einem gerichtlichen Unterlassungstitel verkörperten Schutz des
grundrechtlich und gerichtlichen besonders verbrieften Persönlichkeitsrechts
des von der Berichterstattung Betroffenen zu wahren.
- Darlegungslast und Beweislast
Für die prozessuale Auseinandersetzung im besonderen gilt,
dass die Erfüllung der Darlegungslast die Wahrheitsermittlung nicht
entbehrlich macht. Auch eine durch Belegtatsachen gestützte Behauptung
kann falsch sein. Daher verlangt das allgemeine Persönlichkeitsrecht,
dass dem von der Tatsachenbehauptung nachteilig Betroffenen die Möglichkeit,
die Unwahrheit der Behauptung im Verfahren geltend zu machen, nicht unter
Berufung auf die Erfüllung der Darlegungslast abgeschnitten wird.
Nur wenn er den Belegtatsachen seinerseits nichts entgegenzusetzen hat,
kann die Wahrheit der Äußerung unterstellt werden. Im übrigen
ist der Wahrheitsgehalt aufzuklären, sofern die prozessualen Voraussetzungen
dafür vorliegen. Das gilt auch, wenn die behauptete Tatsache Presseberichten
entnommen ist. So muß ein Gericht die Darlegung und das Entgegensetzen
eines Betroffenen, bestimmte Zeitungsartikel, aus dem sich angeblich bestimmte
Selbstbezeichnungen - beispielsweise als Geistlicher - ergeben, seien von
ihm nicht gebilligt worden und falsch, sowie seine Angabe, er habe
sich hiervon distanziert, im Verfahren berücksichtigen.
3. Berichterstattungsinteresse durch Rundfunk
Für den öffentlichen Blick und das öffentliche Gehör durch Rundfunk muß das Berichterstattungsinteresse durch Hörfunk und Fernsehen und damit ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Behandlung der Frage für die Öffentlichkeit und Allgemeinheit gegeben sein. Dies entspricht der Überzeugung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, danach Not only does the press have the task of imparting information and ideas on matters of public interest: the public also has a right to receive them. Der Rundfunk kann keinen absoluten Schutz für seine Darstellungsform angesichts der mit einer Sendung verbundenen möglichen Beeinträchtigung der Privatsphäre beanspruchen.
• Geistiger Meinungskampf
Für die Vermutung der Zulässigkeit der freien Rede und der freien Berichterstattung spricht, wenn es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden und interessierenden Frage handelt. Berichtet der Rundfunk über Mißbräuche auf dem Gebiet des Heilmittelwesens, dann nimmt er grundsätzlich berechtigte Interessen ebenso berechtigtes Interesse wahr, wie wenn er beispielsweise über Umweltprobleme wegen des Einleitens von Abwässern berichtet.
• Intimbereich
Berührt ein Vorwurf nicht den Intimbereich des Betroffenen, sondern den Bereich seiner gewerblichen oder politischen Betätigung, also die Sozialsphäre, so kommt einem Informationsinteresse der Öffentlichkeit ein erheblicher Rang zu; wer sich im Wirtschaftsleben oder in der (Verbands-)Politik betätigt, muß sich in weitem Umfang der Kritik aussetzen. Dies ist dann der Fall, wenn die der Berichterstattung zugrunde liegende Meinungskundgabe das Mittel zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage ist, wenn es also dem Handelnden um eine argumentative Auseinandersetzung z.B. über politische, soziale, kulturelle oder wirtschaftliche Belange der interessierten Öffentlichkeit geht. Anders ist es aber, wenn solche Äußerungen über eine bloße Meinungskundgabe hinaus dazu dienen, in den individuellen Bereich beispielsweise des wirtschaftlichen Wettbewerbs bestimmter Marktkonkurrenten einzugreifen, und wenn das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Informationsinteresse der Allgemeinheit lediglich als Mittel zum Zweck der Förderung privater Wettbewerbsinteressen eingesetzt werden. Derartige Äußerungen werden durch die Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG, die ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und damit auch des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb findet (Art. 5 Abs. 2 GG), nicht gedeckt. Forderte eine Rundfunksendung beispielsweise zu einem Boykott auf, der Zwecken des wirtschaftlichen Wettbewerbs dient, und soll der Aufforderung mit Mitteln Nachdruck verschafft werden, die über eine freie geistige Überzeugung hinausgehen, so verstieße ein wettbewerbsrechtliches Verbot dieser Aufforderung durch die Zivilgerichte nicht gegen das Grundrecht der Rundfunkfreiheit.
Um sicher beurteilen zu können, ob die Privatsphäre berichterstattungsfest ist oder öffentliches Interesse eignet, sollte der Maßstab Anwendung finden, den wir an uns selbst anlegen. Berücksichtigt werden sollte hierbei, dass gerade hinsichtlich des Umgangs mit Sexualität, die zum Kernbereich menschlicher Würde gehört, auch Personen des öffentlichen Lebens diesbezüglich zu schützen sind, das gesellschaftliche, das heißt für allgemein gültig gehaltene Urteil auch für Inhaber öffentlicher Ämter hier nicht anders lauten kann als für die Menschen, die diese Gesellschaft ausmachen.
• Besonderer Anlaß und legitimes Berichterstattungsinteresse
Der Schutz privater Rechtsgüter kann und muß um so mehr zurücktreten, je mehr es sich nicht um eine unmittelbar gegen dieses Rechtsgut gerichtete Äußerung im privaten, namentlich im wirtschaftlichen Verkehr und in Verfolgung eigennütziger Ziele, sondern um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage durch den hierzu legitimierten Rundfunk handelt; hier spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede. Beispiele für ein derartiges öffentliches und damit legitimes Berichterstattunsinteresse sind etwa der Waffenhandel.
Die Absicht, die Rundfunkteilnehmer über eine gefährliche, die Allgemeinheit interessierende Entwicklung zu unterrichten und in der Öffentlichkeit für ein Eingreifen des Gesetzgebers zu werben und die Verfolgung solcher Ziele gehört aber zu den legitimen Aufgaben der Medien. Deshalb kann ein Kaufmann, der Geschäfte betreibt, die der Allgemeinheit nicht gleichgültig sind und die zu kritischer Beurteilung Anlaß geben, gegenüber dem Rundfunk wie der Presse keinen umfassenden Diskretionsschutz beanspruchen.