FLECHSIG

Rundfunkrechtliche Rechtsgrundlagen
(Im Aufbau begriffen)


[060030]

Rundfunkrechtliche Staatsverträge der Länder

Selbstverpflichtung

Richtlinien für programmliche Selbstverpflichtungen - Grundsätze für die Zusammenarbeit im ARD-Gemeinschaftsprogramm  "Erstes Deutsches Fernsehen" und anderen Gemeinschaftsprogrammen und -angeboten

verabschiedet von den ARD-Intendanten und den Vorsitzenden der Rundfunk- und Verwaltungsräte in der ARD-Hauptversammlung am 30. März

Diese Richtlinien dient gemäß Paragraf 11 Rundfunkstaatsvertrag als Grundlage für die so genannten "programmlichen Selbstverpflichtungserklärungen", die die ARD künftig alle zwei Jahre abgeben will. Die erste Selbstverpflichtungserklärung soll am 1. Oktober 2004 abgegeben werden.

Präambel

Rundfunk ist Medium und Faktor des Prozesses umfassender freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung. Dem gemäß ist Rundfunkfreiheit primär eine der freien Meinungsbildung dienende Freiheit. Sie ist konstituierend für die Demokratie. Art. 5 GG verlangt, dass alle in Betracht kommenden Kräfte im Gesamtprogramm zu Wort kommen können und dass der Rundfunk weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert wird [ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 12, 205; 31, 314; 57, 295; 73, 118; 74, 297; 83, 238; 87, 181; 90, 60)].

Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben ist die ARD in besonderer Weise verpflichtet.

Die nachfolgenden Verpflichtungen gelten für das ARD-Gemeinschaftsprogramm "Erstes Deutsches Fernsehen" sowie die anderen Gemeinschaftsprogramme und -angebote.
                   
I. Programmgestaltung

(1) Auftrag

a) Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung.
b) Die Programme und Angebote der ARD dienen der Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung. Die Angebote und Programme der ARD haben ein vielfältiges kulturelles Angebot zu vermitteln. Sie berücksichtigen die Bedürfnisse von Mehrheiten und Minderheiten.
c) Die Programme und Angebote der ARD haben der Allgemeinheit einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Die ARD soll hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern.
d) Der Auftrag zur Information erstreckt sich dabei auf alle Bereiche des politischen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Lebens und umfasst auch die Darstellung geschichtlicher Zusammenhänge und Entwicklungen. Angebote zur Beratung sind ein wichtiger Bestandteil dieses Informationsangebotes der ARD.
e) Mit ihren Programmen und Angeboten leistet die ARD einen Beitrag zur Vermittlung von Bildung und Wissen. Sie verbreitet und fördert Bildungsangebote.
f) In den Programmen und Angeboten der ARD soll anregende, vielfältige und kultivierte Unterhaltung dargeboten werden. Das Unterhaltungsangebot berücksichtigt in seiner Breite die Interessen aller Alters- und Bevölkerungsgruppen.
g) Die ARD vermittelt und fördert Kultur, Kunst und Wissenschaft. Das Geschehen in den Ländern und die kulturelle Vielfalt der Bundesrepublik sind in den Programmen und Angeboten der ARD angemessen darzustellen.
Die Programme und Angebote der ARD sollen einen wesentlichen Anteil an Eigenproduktionen und sonstigen Auftrags- und Gemeinschaftsproduktionen aus dem deutschsprachigen und europäischen Raum enthalten.
h) Die ARD setzt sich dafür ein, der gesamten Bevölkerung einen möglichst einfachen und ungehinderten Zugang zu ihren Programmen und Angeboten zu ermöglichen. Sie nutzt die dafür relevanten Infrastrukturen und Übertragungswege.

(2) Anforderungen an die Gestaltung von Sendungen und Angeboten

a) Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen. Die Persönlichkeitsrechte anderer sind zu achten. Die Programme und Angebote sollen dazu beitragen, die Achtung vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit zu stärken.
b) Auf der Grundlage der verfassungsmäßigen Ordnung und der allgemeinen Gesetze tragen die Programme und Angebote der ARD zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bei. Sie sollen das Verständnis für alle Fragen des demokratischen und föderalen Zusammenlebens fördern.
c) Die Programme und Angebote sollen die Toleranz im Sinne der Achtung von Glauben, Meinung und Überzeugung der Mitmenschen fördern. Die sittlichen und religiösen Überzeugungen der Bevölkerung sind zu achten.
d) Dem Schutz der Jugend ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Hierfür gelten in Ergänzung der gesetzlichen Vorschriften die ARD-Richtlinien zur Sicherung des Jugendschutzes und die ARD-Kriterien zur Sicherung des Jugendschutzes. Gewalt darf nicht verharmlost oder verherrlicht werden. In den Programmen und Angeboten der ARD werden keine indizierten Filme ausgestrahlt.
Die Anliegen von Familien und Kindern sowie der Gleichberechtigung von Frauen und Männern sind angemessen zu berücksichtigen.
e) Auf die Trennung von Werbung und Programm ist besonders zu achten. Hierfür gelten in Ergänzung der gesetzlichen Vorschriften die ARD-Richtlinien zur Trennung von Werbung und Programm.

(3) Anforderungen insbesondere an Informationssendungen und -angebote

Die ARD hat bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit der Programme und Angebote zu berücksichtigen.
a) Das Gebot der Vielfalt gilt besonders für informierende und meinungsbildende Sendungen. Profilierte politische Aussagen und Analysen sind ebenso wesentliche Bestandteile des Programms wie die Information über bisher unbekannte Sachverhalte und Zusammenhänge.
Auch die Berichterstattung über nicht verfassungskonforme Meinungen, Ereignisse oder Zustände gehört zur Informationspflicht. Die selbstverständliche Anerkennung der vom Grundgesetz festgelegten freiheitlich-demokratischen Verfassungsordnung schließt eine sachlich-kritische Auseinandersetzung mit dem geltenden Recht nicht aus. Keinesfalls darf jedoch durch das Programm zur gewaltsamen Veränderung dieser Verfassungsordnung oder zu strafbaren Handlungen aufgefordert werden.
b) Im Programm vertretene Meinungen sind nicht die Meinungen der Rundfunkanstalten, sondern Meinungsäußerungen der Autoren und Befragten; sie müssen als solche erkennbar sein. Kommentare sind von der Berichterstattung deutlich zu trennen und unter Nennung des Verfassers als solche zu kennzeichnen. In Berichten und in Beiträgen, in denen sowohl berichtet als auch gewertet wird, dürfen keine Tatbestände unterdrückt werden, die zur Urteilsbildung nötig sind. Alle Beiträge haben den Grundsätzen journalistischer Sorgfalt und Fairness und ihrer Gesamtheit der Vielfalt der Meinungen zu entsprechen.
Berichterstattung und Informationssendungen haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen, auch beim Einsatz virtueller Elemente, zu entsprechen. Sie müssen unabhängig und sachlich sein. Zur journalistischen Sorgfalt gehört, dass Tatsachenbehauptungen überprüft werden; Vermutungen sind als solche zu kennzeichnen. Sind für eine kritisch analytische Sendung Tatsachenbehauptungen vorgesehen, die sich gegen eine Person oder Institution richten, so gehört es zur sorgfältigen Vorbereitung der Sendung, die Betroffenen soweit erforderlich und möglich zu hören und deren Auffassung nicht außer Acht zu lassen.
c) Bei der Wiedergabe von Interviews und Statements darf der Sinn der Aussage nicht verändert oder verfälscht werden. Das gilt insbesondere bei Kürzungen und bei der Verwertung von Archivmaterial. Personen, die um Mitwirkung an einer Sendung gebeten werden, dürfen über Art und Zweck ihrer Mitwirkung nicht getäuscht werden.
d) Die Sendungen der "Tagesschau" dürfen keine Meinungsäußerungen der Redaktion enthalten; in Korrespondentenberichten sind Meinungsäußerungen zulässig. Kommentare im Rahmen von "Tagesschau" und "Tagesthemen" müssen von den Nachrichten deutlich abgegrenzt sein. Auf die für den Kommentar verantwortliche Rundfunkanstalt ist hinzuweisen.
e) Bei der Wiedergabe von Meinungsumfragen, die von den Rundfunkanstalten durchgeführt werden, ist ausdrücklich anzugeben, ob sie repräsentativ sind.

(4) Besondere Anforderungen für Onlineangebote

a) Grundlage für die Onlineangebote der ARD bilden die verfassungsrechtlichen und rundfunkstaatsvertraglichen Vorgaben. Diese Angebote dienen der Erfüllung des Programmauftrags und sind an diesen Auftrag gebunden. Sie informieren, bilden und unterhalten. Die Onlineangebote vertiefen und vernetzen die Programminhalte aus Hörfunk und Fernsehen,
b) Werbung und Sponsoring finden in den ARD-Onlineangeboten nicht statt.
c) Mit ihren Onlineangeboten trägt die ARD dem veränderten Informations- und Kommunikationsverhalten Rechnung. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Meinungsvielfalt in den neuen Medien und trägt damit zur Meinungs- und Willensbildung in der Gesellschaft bei. Vor allem die Jüngeren, die mit dem Internet aufwachsende Generation, lassen sich auf diesem Wege erreichen.
d) Den Nutzern bietet die ARD mit ihren Onlineangeboten durch unabhängige redaktionelle Auswahl und transparente Nutzerführung Orientierung im Netz. Sie ist von besonderer Bedeutung in einem Medium, das durch eine nicht abzählbare Fülle von Informationen und Diensten sowie durch ein kommerzielles Umfeld geprägt ist.
e) Die Onlineangebote bieten den Rundfunkteilnehmern hochwertige Inhalte der ARD zur zeitsouveränen Nutzung und ohne zusätzliche Kosten für die gebührenfinanzierten Inhalte. Die ARD will mit ihren Onlineangeboten alle Bevölkerungsgruppen erreichen. Angebotsstrukturierung und Themenauswahl folgen den Kriterien der umfassenden Information, der Themenvielfalt und Programmqualität. Im Unterschied zu kommerziellen Angeboten steht dabei die Maximierung von Zugriffszahlen nicht im Mittelpunkt.
f) Die Onlineangebote entsprechen dem öffentlich-rechtlichen Programmstandard und erfordern eine eigenständige journalistische Leistung. Die inhaltliche Richtigkeit der von der ARD verbreiteten Onlineangebote ist durch regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung zu gewährleisten.
g) Externe Links dienen der unmittelbaren Ergänzung, Vertiefung oder Erläuterung eines Themas oder dem Programmservice. Sie bieten so einen inhaltlichen und medienspezifischen Mehrwert für den Nutzer. Sie sollen möglichst auf anerkannte Quellen verweisen. Sie müssen redaktionell veranlasst sein. Ihre Auswahl bedarf einer besonderen redaktionellen Sorgfalt. Externe Links werden als solche gekennzeichnet. Es werden keine Links gesetzt, die unmittelbar zu Inhalten führen, die gewaltverherrlichend oder jugendgefährdend sind.
h) Chats werden redaktionell begleitet. Sie werden mit Teilnahmeregeln und Teilnehmerbegrenzungen versehen, soweit dies zur Gewährleistung der redaktionellen Überwachungsaufgabe geboten erscheint. Foren und elektronische Gästebücher sind regelmäßig dahingehend redaktionell zu überprüfen, dass keine Verbreitung gewaltverherrlichender, jugendgefährdender oder kommerzieller Inhalte erfolgt.
i) Die Onlineangebote werden technisch so erstellt, dass die Rundfunkteilnehmer sie auf möglichst allen gängigen Softwareplattformen nutzen können. Die ARD bedient sich für die Erstellung, Pflege und Verbreitung ihrer Onlineangebote der aktuellen medienspezifischen technischen Entwicklungen und Standards. Der barrierefreie Zugang für Menschen mit Behinderungen wird gemäß der technischen Entwicklung ständig verbessert.
j) Die ARD betreibt keine eCommerce-Plattformen für kommerzielle Waren oder Dienstleistungen Dritter. Für die kostenpflichtige Abgabe von Sendungen oder Sendungsbestandteilen (Mitschnitte) für die private Nutzung sowie den Verkauf von Merchandising-Produkten mit Programmbezug kann auch der Online-Vertriebsweg genutzt werden. Die ARD kann den Rundfunkteilnehmern auch ihren Programmservice online anbieten, wie zum Beispiel die Möglichkeit, Karten zu ihren Konzerten und anderen Programmveranstaltungen zu bestellen.

II. Bericht über die Erfüllung des Auftrags nach § 11 Abs. 4 RfStV und Verfahren zur Aufstellung von Selbstverpflichtungen für die Gemeinschaftsprogramme und -angebote der in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten


(1) Alle zwei Jahre veröffentlichen die in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten, erstmals zum 1. Oktober 2004, einen Bericht über die Erfüllung ihres Auftrags, über die Qualität und Quantität der Gemeinschaftsprogramme und -angebote sowie die geplanten Schwerpunkte der jeweils anstehenden programmlichen Leistungen (sog. Selbstverpflichtungen). Im Rahmen der Selbstverpflichtungserklärungen sollen auf der Grundlage der Grundsätze zur Programmgestaltung (vgl. Ziffer I) zu den geplanten Aktivitäten der in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten konkrete Aussagen insbesondere im Hinblick auf einzelne Elemente der Programme und Angebote sowie geplante Schwerpunkte und Veränderungen abgegeben werden. Der Bericht soll das öffentlich-rechtliche Profil der Gemeinschaftsprogramme und -angebote wiedergeben.

(2) Die Ständige Programmkonferenz erstellt federführend in Abstimmung mit anderen Bereichen anhand dieser Vorgaben einen ersten Entwurf des Berichts einschließlich der Selbstverpflichtungserklärungen, die für die kommenden zwei Jahre abgegeben werden sollen. Die betroffenen Bereiche liefern ihre Berichtsteile in eigener Verantwortung zu. Der Berichtsentwurf wird von den Intendanten der Landesrundfunkanstalten beraten und anschließend zur Beratung in die zuständigen Aufsichtsgremien der einzelnen Landesrundfunkanstalten weitergeleitet. Auf der Grundlage dieser Beratungen überarbeitet in Abstimmung mit den anderen Bereichen die Fernsehprogrammkonferenz, sofern erforderlich, den Berichtsentwurf. Der überarbeitete Berichtsentwurf wird von den Intendanten nach erneuter Beratung an die zuständigen Aufsichtsgremien der einzelnen Landesrundfunkanstalten zur Beschlussfassung weitergeleitet. Im Anschluss daran wird der Bericht auf einer Hauptversammlung abschließend behandelt und verabschiedet.

(3) Der Bericht einschließlich der Selbstverpflichtungen ist in geeigneter Form zu veröffentlichen.

III. Programmkontrolle

(1) Die Aufsichtsorgane der an den Gemeinschaftsprogrammen und -angeboten beteiligten Rundfunkanstalten überwachen die Einhaltung der hierfür geltenden gesetzlichen bzw. staatsvertraglichen Programmrichtlinien unter Berücksichtigung dieser Grundsätze.
(2) Beschlüsse einzelner Aufsichtsorgane, in denen ein Beitrag beanstandet wird, der von einer anderen Rundfunkanstalt eingebracht wurde, werden zur weiteren Behandlung den zuständigen Organen der einbringenden Rundfunkanstalt zugeleitet und dem Programmbeirat Deutsches Fernsehen zur Kenntnis gegeben.

IV. Beschwerden

Beschwerden gegen Beiträge in Gemeinschaftsprogrammen und -angeboten werden jeweils an die einbringende Rundfunkanstalt weitergeleitet und von dieser behandelt. Unberührt bleibt die Behandlung eingehender Beschwerden durch jede verbreitende Rundfunkanstalt.

V. Gegendarstellungen und sonstige äußerungsrechtliche Ansprüche

(1) Für Gegendarstellungsansprüche gilt § 8 ARD-Staatsvertrag.

(2) Für sonstige äußerungsrechtliche Ansprüche gelten die nachfolgenden Regelungen, die eine einheitliche Handhabung ermöglichen sollen.

(3) Die redaktionelle Verantwortung für Beiträge in Gemeinschaftsprogrammen und -angeboten trägt die jeweils einbringende Rundfunkanstalt. Unberührt hiervon bleibt die Verantwortung aller an Gemeinschaftsprogrammen und -angeboten beteiligten Rundfunkanstalten für die Verbreitung dieser Beiträge innerhalb ihres jeweiligen gesetzlichen Sendegebiets.

(4) Zuständig für die Bearbeitung ist die den Beitrag einbringende Rundfunkanstalt. Sofern Ansprüche bei einer anderen als der einbringenden Rundfunkanstalt geltend gemacht werden, leitet diese das Begehren an die zuständige Rundfunkanstalt weiter. Die abgebende Rundfunkanstalt verbindet dies mit der rechtsverbindlichen Zusage gegenüber dem Antragsteller, dass sie eine von der zuständigen Rundfunkanstalt abgegebene Erklärung oder eine gegen diese erwirkte gerichtliche Entscheidung als auch für sich verbindlich anerkennen wird. Die einbringende Anstalt ist bevollmächtigt, verbindliche Erklärungen für die anderen beteiligten Rundfunkanstalten abzugeben.

back